Akademiker darf Doktortitel im geschäftlichen Verkehr nicht ohne Zusatzinformationen führen

Eine aktuelle OGH-Entscheidung könnte zu Rechtsunsicherheit bei Akademikern führen. So wurde ein Augenoptiker mit  Doktoratsstudium von der Ärztekammer geklagt. Die Ärzte sahen im akademischen Titel des Beklagten „Dr. G. Optometrist“ einen unerlaubten Wettbewerbsvorteil. Mit dem Doktortitel im Zusammenhang mit medizinischen Tätigkeiten würde man in Österreich nun einmal ausschließlich Ärzte verbinden, so die Argumentation der Ärztekammer. Mit ihrer Klage wollten die Ärzte dem Beklagten die Führung des Doktortitels gleich ganz untersagen und beantragten eine entsprechende einstweilige Verfügung. 

Der Augenoptiker absolvierte sein Doktoratsstudium an der renommierten Universität von Cardiff in Großbritannien und erwarb den akademischen Grad „Doctor of Philosophy (PhD) Optometry“. Er schrieb eine Dissertation mit über 300 Seiten zum Thema „Measurement of vision under conditions of contrast and luminance simulating those of real environments“.  Das Bundesministerium für Wissenschaft und Forschung teilte ihm mit, dass er berechtigt ist, den britischen Doktorgrad in der Form „Dr.“ seinem Namen voranzustellen. Der Augenoptiker bzw. Optometrist darf also den akademischen Titel Doktor in Österreich führen und hat ihn auch in seinem Reisepass eingetragen. 

Regelung der Berufsbezeichnung Optometrist in der Gewerbeordnung

Die Berufsbezeichnung „Optometrist“ ist in Österreich seit über 10 Jahren in der Gewerbeordnung (GewO) verankert. Der Begriff Optometrie kommt aus dem Griechischen und bedeutet „Lehre des Sehens“. Gewerbetreibende, die sowohl den Befähigungsnachweis für Augenoptiker als auch für Kontaktlinsenanpasser erbringen, nennen sich entsprechend § 98 GewO Optometristen. Der Beklagte erfüllt beide Voraussetzungen und führt deshalb die entsprechende Berufsbezeichnung. Obwohl sich der Augenoptiker sowohl an den Bescheid des Bundesministeriums für Wissenschaft und Forschung gehalten hat, als auch die korrekte Berufsbezeichnung nach der Gewerbeordnung seinem Namen nachgestellt hat, wurde er von der Ärztekammer auf Unterlassung geklagt.

Im gegenständlichen Fall hat das Erstgericht den Antrag auf einstweilige Verfügung der Ärztekammer abgewiesen. Das Rekursgericht gab dem Antrag der Ärztekammer allerdings teilweise statt und wurde in der Folge durch den OGH bestätigt. Damit steht zumindest vorläufig fest, dass das Auftreten von „Dr. G. Optometrist“ im Rahmen seiner geschäftlichen Tätigkeit wettbewerbswidrig ist.

Der OGH gab den Ärzten jedoch nicht vollständig Recht und stellte klar, dass es dem Augenoptiker selbstverständlich frei steht seinen akademischen Titel in jeder verwaltungsrechtlich zulässigen Form zu führen. Auch darf er die Bezeichnung „Optometrist“ als solche führen. Nur eben nicht im Rahmen der geschäftlichen Tätigkeit in dieser Kombination, da sie irreführend ist.

Der OGH beruft sich dabei auf die teilweise Überschneidung der Tätigkeitsbereiche von Optometristen und Augenärzten (z.B. bei der Sehschärfemessung oder der Anpassung von Kontaktlinsen). In seiner Begründung führt das oberste Gericht aus, dass die Bezeichnung „Optometrist“ für den Durchschnittsverbraucher zwar nicht unmittelbar verständlich sei, aber medizinisch anmutet. Ein ohne weitere Konkretisierung geführter Doktorgrad würde als Hinweis auf eine medizinische Ausbildung verstanden und ist damit geeignet, einen Durchschnittsverbraucher in die Irre führen.

Dürfen Personen in Gesundheitsberufen zukünftig Ihren Doktortitel im geschäftlichen Umfeld nicht mehr führen?

Mit dieser Begründung hinterlässt der OGH leider eine ziemliche Ratlosigkeit wie genau denn nun ein nicht wettbewerbswidriger Auftritt im konkreten Fall auszusehen hat.  Wie soll sich ein Augenoptiker bzw. Optometrist mit Universitätsabschluss samt Dissertation richtig nennen, ohne Gefahr zu laufen, von der Ärztekammer verklagt zu werden? Neben der Optometrie gibt es eine Reihe weiterer medizinnaher Tätigkeitsfelder in denen akademische Ausbildungen mit Erwerb eines Doktortitels möglich sind. Man denke dabei etwa an Ernährungswissenschaftler, Psychologen, usw.

Jeder Dienstleister hat ein natureigenes Interesse Kunden seine wohlerworbenen Qualifikationen und Kompetenzen zur Kenntnis zu bringen und damit zu werben. Auch die Ärzte werben mit diverse Zusatzqualifikationen und versuchen dadurch mehr Patienten zu akquirieren. 

Man sollte meinen, dass es gar keinen besser konkretisierenden Zusatz zum akademischen Titel gibt, als die korrekte Berufsbezeichnung „Optometrist“ nach der Gewerbeordnung. Schließlich treten im gegenständlichen Fall ein gewerblicher Beruf und eine wissenschaftliche Ausbildung nebeneinander. Kann es tatsächlich rechtens sein, dass der Augenoptiker und  Optometrist nicht ohne weitschweifende Erklärungen seinen Doktortitel führen darf, nur weil dem Durchschnittsverbraucher unterstellt wird, dass er hinter jedem Doktor im Gesundheitswesen einen Arzt vermutet? Die Konsequenz daraus wäre, dass jeder Akademiker im Gesundheitswesen eine lange und umständliche Erklärung seiner akademischen Würden in Kauf nehmen muss. Beides ist wettbewerbstechnisch ein Riesennachteil und wohl auch dem EU-Recht widersprechend.

Bisher wurde lediglich im sogenannten  Provisorialverfahren über die einstweilige Verfügung entschieden.  Im nun folgenden Hauptverfahren wird es spannende Fragen zu klären geben. Das Unikum der österreichischen Titelgläubigkeit steht auf dem Prüfstand und es bleibt abzuwarten ob und wie ein europäisches Gericht den Sachverhalt schlussendlich beurteilen wird.

Diese Fehlermeldung ist nur für WordPress-Administratoren sichtbar

Fehler: Kein Feed gefunden.

Bitte geh zur Instagram-Feed-Einstellungsseite, um einen Feed zu erstellen.