Seminarbericht – Tag der Optometrie 2014

Unter dem Tagungstitel “Optometrie vom Allerfeinsten” fand in der Höheren Fachschule für Augenoptik Köln die VDCO-Tagung und Tag der deutschen Optometrie 2014 statt. In den drei Tagen vom 28. bis 30. März kamen viele wissbegierige Augenoptiker und Optometristen um über Themen wie Myopieforschung, Trockenes Auge, Neurologie, Keratoplastik und Schleudertrauma mehr zu erfahren. Die gute Organisation ermöglichte einen reibungslosen Ablauf und auch interessante Diskussionen in den Pausen kamen nicht zu kurz.

Den Start machte Dr. Mattias Maus mit den Möglichkeiten zur Prespyopie-Versorgung ohne Brille. Bei der „small aperture corneal inlay“ wird ein schwarzer Ring in die Cornea des nicht dominaten Auges implantiert. Dadurch erhöht sich die Tiefenschärfe dieses Auges. Bei einer Kurzsichtigkeit von -1,50 bis 2,00 dpt ist dies eine interessante Alternative. Wenn allerdings gutes Kontrastsehen benötigt wird, so ist von dieser Möglichkeit eher abzuraten.

In der Cateractchirurgie wird auch Lasik genützt. Mittels Scheimpflugkamera oder OCT werden die Hornhaut und Augenlinse vermessen um dann mit einem Femtolaser entsprechend die Schnitte in der Hornhaut zu setzen. Die Lasik-Methode kann allerdings zu Komplikationen führen wenn die Hornhaut zu weich und zu trocken ist. Wenn nicht mit dem aktuellen Stand der Technik gearbeitet wird, sondern mit älteren Geräten – vielleicht gar unter finanziellen Druck – Laseroperationen verkauft werden, dann erhöht sich das Risiko unweigerlich. Dr. Maus rät grundsätzlich von allen Sonderangeboten bzw. sogenannten „Lasik-Reisen“ ab.

Die corneale confocale Mikroskopie beginnt dort wo die Spaltlampe ihre Grenzen hat. Dr. Mitra Tavakoli erklärte dass die Messung schnell und nicht invasiv ist. Die Struktur der Hornhaut kann in den einzelnen Schichten exakt abgebildet werden. Im Epithel können Superficial-Zellen und Basalzellen als Indikator für ein trockenes Auge beurteilt werden. Ebenso kann man mit der confocalen Mikroskopie eine Acantamöbenkeratitis bereits im Anfangsstadium gut erkennen. Damit wird wertvolle Zeit gespart und es kann sofort mit der richtigen Behandlung begonnen werden, wofür man sonst auf einen langwierigen Laborbefund warten müsste. Bei einer diabetischer Neuropathie ist es möglich corneale Nerven zu qualifizieren und zu messen.

Prof. Dr. Jost Jonas ging in zwei Vorträgen auf das Gebiet des Glaukoms ein. Anschaulich zeigte er welche Merkmale bei der Papillen Betrachtung von Bedeutung sind. So kann ohne aufwendige Untersuchungsgeräte die Papillengröße, die Papillenform und der retinale Rand mit Hilfe der ISNT-Regel, das Cup-Disc-Ratio (Verhältnis zur Papillengröße und Exkavationstiefe) bestimmt werden. Ebenso ist das retinale Nervenbündel in der parapapillären Region ein wichtiges Merkmal. Dr. Jonas vermittelte anhand umfangreicher Fotos ein Gefühl für das Verständnis und die Hintergründe des Glaukoms um rechtzeitig Veränderungen erkennen zu können.

Im Vortrag über den Forschungsschwerpunkt Makulapigment des Ernährungswissenschaftlers Dr. Mark Kirby, wurde der Fokus auf die Aufgabe und Auswirkung des Makulapigments auf das Sehen gesetzt. An die 700 verschiedene Carotinoide kommen in der Natur vor – 50 davon in unserer Nahrung und 3 in der Netzhaut. Diese drei sind Lutein, Zeaxanthin und Meso-Zeaxanthin. Sie kommen in unterschiedlichen Konzentrationen bei jedem Menschen vor. Im Makulapigment spielen diese Carotinoide eine große Rolle beim Sehprozess und haben zudem einen Einfluß auf Kontrastsehen, Streulicht und Blendempfindlichkeit. Das Makulapigment ist ein starkes Antioxidantium welches durch Rauchen reduziert werden kann.

Ein Veränderung am Auge kann oft viele Ursachen haben, da das Auge einen Teil eines komplexen Ganzen darstellt. Über die Blutbahn, Nerven, Hormone und das Immunsystem kommunizieren das Auge und der Organismus miteinander. Dr. Andreas Berke ging auf die engen Wechselwirkungen zwischen Körper und Auge ein. Als Folge von systemischen Erkrankungen kann es zu okulären Symptomen und Augenerkrankungen kommen. So können einige Erkrankungen als erstes am Auge festgestellt werden, wie z.B. die Refraktionsschwankungen bei Diabetes oder Iritis bei rheumatischen Erkrankungen. Auch werden einige Tumore, oftmals als Zufallsbefund, metastasierend primär am Auge entdeckt.

Wolfgang Cagnolati beschrieb in seinem Vortrag wie sich das Tätigkeitsfeld in der Optometrie in den letzten Jahren verändert hat. Durch die Ausbildung des heutigen Optometristen zum „Primary Eye Care Provider“ wird er als erste Anlaufstelle für Sehen und Augenprobleme. Da der Proband einen schnellen und direkten Zugang zum Optometristen hat, muß er auch über die frühe Erkennung und Prävention von Augenkrankheiten Bescheid wissen. Dadurch dass ein Optometriestudium keine vorangehende vollständige Allgemein-Medizin Ausbildung erforderlich macht, kann dies als ökonomischer Vorteil genutzt werden. Die akademisch und klinisch adäquat ausgebildeten Optometristen übernehmen in Europa im Bereich der Prävention und Erkennung von Augenkrankheiten heute mehr Verantwortung als dies in der Vergangenheit je der Fall war.

In Tierversuchen mit Primaten stellte Prof. Earl Smith fest das sich ein emmetropes Auge nur dann entwickeln kann wenn es auch tatsächlich „sieht“ im Sinne der Exposition durch die Umgebung. Licht und Sehvermögen sind dabei für die Emmetropisierung am wichtigsten. Bei halbseitiger Abdeckung eines Auges verändert sich das Längenwachstum innerhalb des Auges. Eine Hälfte wächst stärker als die andere. Eine Unterkorrektion der Myopie erhöht die Myopieprogression. Mit optischen Mitteln wie z.B. Bifokalgläsern, Gleitsichtgläsern, Ortho-K Linsen und multifokalen Kontaktlinsen kann die Progression lediglich eingedämmt werden. Der Versuch die Progression zu reduzieren sollte aber auf jeden Fall unternommen werden, da bei stark Myopen das Risiko Augenerkrankungen wie z.B. Netzhautablösungen zu erleiden wesentlich größer ist.

Mit dem Thema Myopiekontrolle beschäftigt sich auch Prof. Dr. Frank Schaeffel von der Universität Tübingen. In den letzten Jahren haben sich in Tierversuchen drei Möglichkeiten für die Reduzierung der Myopie herauskristallisiert:

  1. Tageslicht verhindert die Myopieprogession, was möglicherweise mit der Dopaminproduktion im Körper zusammen hängt.
  2. Die periphere Retina hat einen Einfluss in der Emmetropisierung. Während die Fovea die Akkommodation kontrolliert, kommt es bei Unschärfe der Peripherie zu einem Längenwachstum.
  3. Atropin in schwacher Dosierung (0,01%) verhindert die Myopieprogression um die Hälfte.

Die Myopie ist daher offensichtlich von Umweltfaktoren abhängig. Wenn alle genetischen Faktoren für eine Myopie sprechen, ergibt sich ein etwa 10fach erhöhtes Risiko auch tatsächlich eine Myopie zu entwickeln. Anhand von negativen Umweltfaktoren jedoch steigt das Progressionsrisiko auf das bis zu 52fache.

Stefan Lame ging mit seinem bereits bei der Optometrie 2013 vorgestellten Erfahrungsbericht auf die weiteren Ergebnisse nach einem Jahr ein. Er korrigierte Kinder mit Multifokallinsen mit schwacher Addition um der peripheren Retina keinen Reiz zu geben weiter in die Länge zu wachsen. Mit den Progressivlinsen wurde bei den jungen Probanden keine Visuseinschränkung festgestellt. Jedoch verringerte sich die Progression um bis zu 65% bei seinen inzwischen 50 Probanden .

Mit einem ganz anderen Thema beschäftigte sich Dr. Carolin Gall. Die Auswirkung auf die Lebensqualität mit Gesichtsfeldausfällen nach Hirnläsionen. Leider kommt es nur bei der Hälfte aller Patienten nach einem Hirninfarkt zu einer spontanen Erholung des betroffenen Gesichtsfeldes. Aktuelle Studien zeigen das es auch Defizite bei der Wahrnehmung im „intakten“ Gesichtsfeld gibt in Form von Orientierungs- und Lesestörungen. Die Lebensqualität wird dabei schlechter bewertet als bei einem Glaukom. Mit speziellen Gesichtsfeldtrainings kann die sehbezogene Lebensqualität wesentlich verbessert werden.

In Ihrem Vortrag vermittelt Esther Goeltzer einen Überblick über die Ursachen und Arten neurologisch bedingter Sehstörungen. Für die Rehabilitation ist eine optische Versorgung schon nach der Akutphase wichtig. Mit einer etwas anderen Vorgehensweise der optometrischen Messung kann man für den Probanden die Lebensqualität entscheidend verbessern.

Mit einer Zusammenfassung der Untersuchungs- und Auswertungsmethoden der Tränenfilmanalyse konnte Hans-Jörg Etzler einen Einblick in die Symptomlinderung beim trockenen Auge geben. Die Kunden-Compliance und die Demodexmilben wurden dabei als „Massnahmenkiller“ diskutiert.

Der diesjährige Posterpreis ging an die „optische Kohärenztomographie zur Beurteilung des Corneo Skleral Profils (CSP)„. Joachim Bäumler, Uwe Conrad und Stefan Bandlitz konnten bei Ihrer Präsentation nachweisen, dass mit der optischen Kohärenztomographie (OCT) das CSP nicht rotationssymmetrisch ist. Durch das OTC konnten die limbusnahen Skleratopographien nicht invasiv bestimmt werden. Zum ersten Mal wurde der auch der flachste Radius in 45° (nasal-superior) gefunden.

Daniela S. Nosch beschäftigte sich mit Hornhautsensibilität bei Kontaktlinsen-Diskomfort. Aufgrund von unterschiedlichen Hornhaut-Nerven ist der Kontaktlinsen-Diskomfort eine komplexe und multifaktorielle Stimulation. Mechanische (Reibung), chemische (Pflegemittel, Entzündung), Osmolarität (Trockenheit, Verdunstung des TF) und thermische Effekte (Temperaturänderung) können die Hornhaut-Sensibilität in Kombination deutlich beeinträchtigen.

Dr. Jan Wetzel, Rechtsanwalt des Zentralverbandes der Augenoptiker in Deutschland, ermahnte die Optometristen sich ihrer Verantwortung bewusst zu sein, wenn Sie mit Probanden über Auffälligkeiten am Auge sprechen. Der Optometrist ist angehalten Verdachtsmomente anzusprechen um vor allem bei chronisch-degenerativen Augenerkrankungen ohne Beschwerden den Betroffenen rechtzeitig darauf hinzuweisen.

Priv.-Doz. Dr. med. Christoph Deuter betrachtete das trockene Auge von der medizinischen Seite. Funktion, Aufbau des Tränenfilms, Formen und Ursache des trockenen Auges. Wie zum Beispiel durch quantitative Tränenfilminsuffizienz (Tränenflüssigkeitsmangel): Sjörgen-Syndrom sowie rheumatoide Arthritis oder Tränendrüsenentzündung (Dakryoadenitis). Hierbei müssen Tränenersatzmittel ohne Konservierungsstoffe sehr häufig (bis zu stündlich) angewendet werden. Bei der qualitativen Tränenfilminsuffizienz (evaporative Verdunstung) ist die gestörte Lipidschicht des Tränenfilms, wie bei Blepharitis, Rosacea, Bildschirmarbeit oder beim Tragen vom Kontaktlinsen zumeist der Schwachpunkt. In diesem Fall ist es wichtig die regelmäßige Lidrandpflege sorgfältig durchzuführen. Dazu eignen sich lipidhaltige Tränenersatzmittel oder Lipidsprays um den kausalen Teufelskreis zu unterbrechen. Bei einem instabilen Tränenfilm erhöht sich nämlich die Osmolarität in der Tränenflüssigkeit, wodurch es zu Entzündungsreaktionen beim Auge kommt. Dies wiederum verändert den Tränenfilm an sich und begünstigt in weiterer Folge die Instabilität des Tränenfilms, wodurch es zu einer negativen Abwärtsspirale kommt.

Die Vor- und Nachteile einiger Verfahren zur Tränenfilm-Beurteilung erläuterte Stefan Bandlitz. Er berichtete, dass die Symptome oft keine Korrelation mit den Befunden hatten. Neue Ergebnisse zeigen, dass durch den verschlechterten Visus bei einem trockenen Auge auch die Reaktionszeit beim Autofahren wesentlich höher sein kann. Für die Praxis haben sich der Fragebogen mit Break-up-time (BUT) und eine Meibomdrüsenbetrachtung als die praktikabelsten und zuverlässigsten Tränenfilm-Tests herauskristallisiert.

Einen Blick in die Zukunft gestattete Dr. rer. nat. Joachim Storsberg mit der künstlichen Hornhaut, wie es zur Entwicklung einer biomimetischen Keratoprothese kommt. Da es z.B. nach einer Augenverätzung relativ schwierig ist ein geeignetes Spender Hornhaut-Transplantat zu bekommen, wurde als Alternative eine künstliche Hornhaut entwickelt. Das ArtCornea® Implantat besteht aus einer Haptik zum Anwachsen im Auge und einer optischen Fläche, auf der im Gegensatz dazu keine Zellen anhaften dürfen. Diese künstliche Hornhaut ist im Labor- und Tierversuch getestet und wurde bereits an einem Patienten erfolgreich implantiert. Dabei konnte eine Visussteigerung von vollständiger Blindheit infolge einer massiven Verätzung, auf 80% der Sehleistung erzielt werden. Einzig der ästhetische Aufbau der Konstruktion ist für das Umfeld des Patienten eher gewöhnungsbedürftig, aber unter Berücksichtigung des erzielten Resultats ergeben sich hierbei durchaus Perspektiven für eine zukünftige alternative Behandlungsmethode.

Auch wenn das Thema Schleudertrauma vordergründig nicht mit der Brillenglasbestimmung oder Kontaktlinsenanpassung zu tun haben mag, so erklärte Dr. med. Wolfgang von Heymann das bei 20% der Patienten nach Halswirbelsäulentrauma (HWS-Trauma) Sehstörungen auftreten. Durch die komplizierte nervliche Vernetzung welche besonders durch die obere HWS verläuft, können sich auch schon leichte Verletzungen der HWS auf die Konvergenz der Augenmuskelfunktion auswirken.

Die optische Versorgung nach einem Schleudertrauma beginnt laut Jules Van Els frühestens nach 9 Monaten. Viele Probanden haben Akkommodations- und Konvergenzprobleme sowie Kopfscherzen die während des Tages zunehmen, oftmals begleitet von erhöhter Lichtempfindlichkeit. Mit einer MKH-Messung (Mess- und Korrektionsmethodik nach Haase) wird bei 75% der Betroffenen ein prismatischer Höhenausgleich gefunden. Bei einer Kontrolle nach 3 Monaten hat sich bei über 50% der Probanden eine subjektive Verbesserung Ihrer Lebensqualität eingestellt.

Sebastian Marx fand eine neue Methode zur Ermittlung von Benetzungseigenschaften bei unterschiedlichen Kontaktlinsenmaterialien. Im Labor wurde ein Okulus Keratograph K4 horizontal montiert um zu vermeiden das die Kontaktlinse beim Messen durch die Schwerkraft verrutschen kann. Die Abtrocknungszeiten unterschiedlicher Linsenmaterialien, die in verschiedene Pflegemittel eingelegt wurden, konnten dann in vitro mittels Keratograph ermittelt werden. Es hat sich herausgestellt dass Pflegemittel mit Benetzungseigenschaften die Linse nicht so schnell austrocknen lassen wie diejenigen, welche eben nicht über diese Eigenschaften verfügen.

Dr. med. David Finis beschrieb die heute gängigen Verfahren einer Hornhaut-Transplantation. Bei dem etablierten, technisch nicht so aufwendigen Verfahren der perforierenden Keratoplastik (PK), wird die Hornhaut in ihrer gesamten Tiefe ausgetauscht. Bei der lamellären Keratoplastik wird nur der äußere  oder innere Teil der Hornhaut mit einem Transplantat versorgt. Bei der tiefen anterioren lamellären Keratoplastik (DALK) bleibt die Descementmembran und das Endothel erhalten. Diese Technik wird vorzugsweise bei Keratokonus angewendet. Das Risiko einer Immunreaktion ist hierbei geringer durch die Erhaltung des eigenen Endothels. Wenn das Endothel erkrankt ist, können auch selektiv nur Endothel und Descemetmembran transplantiert werden. Der Vorteil liegt hier im Wegfall der Nähte und einem damit verbundenen geringeren Astigmatismus. Nachteilig ist ein reduzierter Visus im Vergleich zur perforierenden Keratoplastik. Die optische Nachversorgung lässt sich dabei am besten mit Kontaktlinsen umsetzen, wobei allerdings auf lockere Fäden und besonders auf die Klarheit des Transplantates zu achten ist.

Die nächste VDCO-Tagung mit dem Scherpunkt Kontaktlinsen, die Contact´14, findet im Herbst vom 10. bis 12. Oktober 2014 in Berlin statt.

Susanne Nemetz, MSc

Die Autorin dieses Artikels, Susanne Nemetz, MSc
Augenoptikerin & Master of Science (Klinsche Optometrie/Clinical Optometry)

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