Sklerallinsen bei neurotrophem Ulcus

Neurotrophe Keratopathien stellen Augenoptiker und Augenärzte vor besondere Herausforderungen. Diese durch Hornhautnervenveränderungen charakterisierte Erkrankung kann die sensorischen und trophischen Funktionen der Hornhaut erheblich beeinträchtigen.

Autor des Artikels:
Gero Mayer, Augenoptikermeister im deutschen Hochheim am MainGero Mayer, Augenoptikermeister im deutschen Hochheim am Main. Kooperationspartner der Uniklinik Frankfurt am Main. Spezialisiert auf die Anpassung von Sklerallinsen und Kontaktlinsen bei verschiedenen Krankheitsbildern.

Einleitung

Wie können wir die Lebensqualität der Betroffenen steigern, besonders wenn herkömmliche Therapien bei neurotrophem Ulcus nicht greifen? In diesem Artikel wird ein Fall vorgestellt, bei dem Sklerallinsen erfolgreich zur Sehverbesserung und Symptomlinderung bei einer Patientin mit neurotropher Keratopathie eingesetzt wurden.

Definition und Hintergrund zur neurotrophen Keratopathie

Die neurotrophe Keratopathie ist eine komplexe Erkrankung, die durch Veränderungen der Hornhautnerven charakterisiert ist. Dua et al. (2018) beschreiben sie als eine Störung, die die sensorischen und trophischen Funktionen der Hornhaut beeinträchtigt und somit zu einem Zusammenbruch des Hornhautepithels führt. Dies hat direkte Auswirkungen auf die Gesundheit und Integrität des Tränenfilms, des Epithels und des Stromas.[1]

Eine solche Schädigung reduziert die Sensibilität der Hornhaut, was die normale Heilung und Regeneration der Hornhautzellen behindert. Die daraus resultierenden Folgen sind gravierend: Sie reichen von chronischen Entzündungen über Geschwüre bis hin zu Hornhautperforationen in schweren Fällen.

Patienten mit neurotrophen Keratopathien berichten oft von Symptomen wie Augentrockenheit, Lichtempfindlichkeit (Photophobie) und Sehschwankungen. Interessanterweise sind diese Symptome oft morgens stärker ausgeprägt und können durch Umweltfaktoren wie Klimaanlagen oder Heizungsluft verschlimmert werden. Mit fortschreitender Erkrankung und abnehmender Sensibilität der Hornhaut können diese Beschwerden jedoch in den Hintergrund treten.

Was sind Sklerallinsen?

Sklerallinsen sind spezielle Kontaktlinsen, die nicht auf der Hornhaut, sondern auf der Sklera bzw. der Bindehaut des Auges aufliegen. Sie sind größer als herkömmliche Kontaktlinsen und werden oft bei komplexen Augenerkrankungen oder bei Patienten eingesetzt, bei denen herkömmliche Linsen keine Versorgungsmöglichkeit darstellen. Wenn sie eingesetzt werden, wird eine spezielle Flüssigkeit (in der Regel eine unkonservierte Kochsalzlösung) verwendet, um den Raum zwischen der inneren Oberfläche der Sklerallinse und der Hornhaut des Auges zu füllen. Dieser Flüssigkeitsfilm dient dem Schutz, Komfort und der Befeuchtung der Hornhaut.

Interessanterweise gibt es Sklerallinsen in verschiedenen Größen. Sie werden oft in zwei Hauptkategorien unterteilt: Mini-Sklerallinsen, die einen Durchmesser zwischen 11,5 und 15,5 mm haben, und Sklerallinsen, deren Durchmesser größer als 15,5 mm ist. Zum Vergleich: Beide sind deutlich größer als der durchschnittliche horizontale Hornhautdurchmesser. Es ist diese einzigartige Größe und Form, die Sklerallinsen so effektiv und vielseitig in der Anwendung macht.[2]

Anamnese und Erklärungen

Unsere 70-jährige Patientin kam mit einer spezifischen Anamnese zu mir:

  • Linkes Auge: Neurotrophes Hornhautulcus, wahrscheinlich durch Herpes verursacht, Pseudophakie und vorherige YAG-KT im Januar 2023.
  • Allergien: Konservierungsstoffe.
  • Grunderkrankung: Systemische Sklerose.

Das Hauptanliegen war die Anpassung einer Sklerallinse, um die Symptome zu lindern und die optische Funktion des linken Auges zu rehabilitieren.

Sklerallinse

Doch was genau bedeutet diese Anamnese? Laut Altmeyers Enzyklopädie ist ein neuropathisches oder neurotrophisches Ulkus ein Geschwür, das durch externe Einflüsse an einem Körperteil entsteht, der durch den Verlust afferenter Nervenfasern sensorisch erheblich beeinträchtigt ist (Eastman etal. 2022[3]). Unsere Patientin gab an, dass die ursprüngliche Verletzung ihrer Hornhaut nach einer YAG-KT (Nachstarlaserung) auftrat. Ein anschließender Herpesausbruch im März verschlimmerte die Situation und begünstigte die Ulkusentwicklung.

Zum Zeitpunkt ihrer Vorstellung bei mir berichtete die Patientin, dass ihr Auge seit vier Wochen stabil sei. Sie setzte ihre Behandlung mit Aciclovir Augentropfen, Dexa EDO AT und Azivision Salbe fort. Aciclovir ist ein antivirales Medikament, das speziell zur Behandlung von Herpesinfektionen eingesetzt wird. Dexa EDO wirkt entzündungshemmend und ist speziell für die Anwendung am Auge formuliert. Azivision Augensalbe, ebenfalls ein antivirales Medikament, wird bei durch das Herpes-simplex-Virus verursachten Hornhautentzündungen eingesetzt.

Die Anpassung der Sklerallinse

Bei unserem ersten Termin habe ich mit der ScleraFlex von SwissLens gearbeitet. Diese Mini-Sklerallinse mit einem Durchmesser von 15.00mm erschien mir besonders geeignet, da die Kundin keine großen Augen hat und bisher nur Erfahrung mit einer weichen therapeutischen Linse hatte, die ihr von ihrem Augenarzt aufgesetzt wurde.

Dieser Hintergrund schaffte sofort Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten der Kundin, dass sie ihr Auge weit genug aufbekommt, damit ich die Linse platzieren kann. Als erste Messlinse wählte ich eine Linse mit einer Scheiteltiefe von 4000microns. Diese Linse ist ebenfalls vom Hersteller als erste Messlinse empfohlen bei normalen Augen bzw. geringen Ektasien. Da der Zustand der Kundin am ehesten diesen Vorgaben entsprach war dies die Wahl meiner ersten Messlinse.

Eine Messung mit meiner Oculus Pentacam und dem zugehörigen CSP-Modul zur Ausmessung des Corneo-Scleral-Profils war aufgrund der Photophobie, dem Epitheldefekt und der kleinen Lidspalte der Kundin nicht möglich.

Epitheldefekt
Epitheldefekt

Auf den beigefügten Fotos ist der Zustand des Auges am Tag der Anpassung zu sehen. Die Bilder zeigen deutlich den großflächigen Hornhautdefekt.

Solche Fotos sind wichtig für den weiteren Verlauf der Arbeit mit den Sklerallinsen um zu kontrollieren ob der gewünschte Effekt und eine gesunde Anpassung erzielt werden.

Nachdem ich die Sklerallinse mit unkonservierter Kochsalzlösung gefüllt und mit einem Fluoreszeinstreifen angefärbt hatte, überprüfte ich mittels Spaltlampe, ob die Linse die Hornhaut und den Limbus wie geplant überbrückt. Die Überbrückung zeigte eine Scheiteltiefe von 200-250microns, die im Laufe des Tages auf 100-150 microns sinken wird.[4]

Die Auflage der Sklerallinse zeigte, dass ein guter Sitz mit einer rotationssymmetrischen Linse erreicht wird. Es gab kein Blanching (Abdrücken der Blutgefäße im Bindehautbereich) und die Linse saß zentral ohne Bewegung.

Eine asymmetrische Linse sollte gewählt werden, wenn es in der Bindehaut zu Blanching in einem oder mehreren Quadranten kommt und/oder wenn die Sklerallinse dezentriert sitzt.[5] Zur weiteren Überprüfung des Sitzes der Sklerallinse kann ein Vorderabschnitts-OCT verwendet werden, ein bildgebendes Verfahren, das den Sitz der Sklerallinse während des Tragens zeigt und bei Problemen mit den Sklerallinsen hilfreich sein kann.

Abgabe der Sklerallinse

Gemeinsames Auf- und Absetzen:
Die 70-jährige Patientin, die bisher keine Erfahrung mit Kontaktlinsen hatte, beeindruckte mit ihrer schnellen Auffassungsgabe und Offenheit. Mit meiner Unterstützung erlernte sie zügig, wie sie die Sklerallinse korrekt auf- und absetzen kann. Ihr Ehemann, der während der gesamten Anpassung anwesend war, erwies sich als unschätzbarer Helfer.

Gemeinsam meisterten sie die Technik des Auf- und Absetzens. Er half ihr dabei, die Handgriffe zu optimieren und sicherzustellen, dass die Linse stets korrekt positioniert war. Es war beeindruckend, das Zusammenspiel und die gegenseitige Ermutigung des Paares zu beobachten, während sie diese neue Technik meisterten.

Techniken zum korrekten Auf- und Absetzen:
Während der Abgabe erklärte ich der Patientin ausführlich die Techniken zum korrekten Auf- und Absetzen der Sklerallinse:

  • Vorbereitung: Beginnen Sie immer mit sauberen Händen und einer gut beleuchteten Arbeitsfläche.
  • Füllen der Linse: Die Sklerallinse sollte mit unkonservierter Kochsalzlösung gefüllt werden, bevor sie aufgesetzt wird.
  • Aufsetzen mit dem Hohlsauger: Der Hohlsauger dient als sichere Auflage, um die Linse vorsichtig auf das Auge zu setzen.
  • Absetzen mit dem Vollsauger: Der Vollsauger hilft, die Linse sicher und sanft vom Auge zu entfernen.
  • Pflege nach dem Absetzen: Nach dem Absetzen sollte die Linse mit einem Peroxid System gereinigt werden.

Die abgegebene Linse hatte folgende Parameter:
ScleraFlex M2 (Scheiteltiefe von 4000microns) / Stärke plan / Durchmesser 15.0

Sitzkontrolle:
Zum Abschluss der Anpassung führte ich eine letzte Kontrolle durch, um sicherzustellen, dass die Linse optimal und komfortabel auf dem Auge der Patientin saß.

Sklerallinsen bei neurotrophem Ulcus
Sklerallinsen bei neurotrophem Ulcus

Auf dem linken Bild können Sie erkennen, wie das Auge anfangs noch ungewohnt auf den Fremdkörper reagierte. Nur wenige Sekunden später, wie auf dem rechten Bild zu sehen, hatte sich das Auge bereits an die Linse gewöhnt.

Kontrolle nach der Anpassung der Sklerallinse

Kontrolltermine nach der Anpassung der Sklerallinse
Nach der erfolgreichen Anpassung der Sklerallinse sind regelmäßige Kontrolltermine unerlässlich, um den Sitz der Linse, den Heilungsprozess der Hornhaut und das allgemeine Wohlbefinden des Auges zu überwachen.

1 Woche nach Anpassung: Der erste Kontrolltermin dient dazu, sicherzustellen, dass es keine Komplikationen gibt und die Linse korrekt und bequem auf dem Auge sitzt. Zu meiner Freude hat die Heilung unter der Linse bereits erhebliche Fortschritte gemacht. Die Patientin berichtete von einer subjektiven Steigerung der Sehleistung, sodass wir mit einer Überrefraktion von -2.0 einen für den Zustand des Auges hervorragenden Visus von 0.5 erreichen konnten! Sie war sichtlich begeistert über den raschen und positiven Fortschritt.

1 Woche nach Anpassung
1 Woche nach Anpassung

Die Überrefraktion haben wir nach gemeinsamer Absprache in die vorhandene Brille übernommen, damit ein gleichmäßiges Sehen mit dem kurzsichtigen Partnerauge vorhanden ist.

2 Wochen nach Anpassung: Dieser Termin dient nicht nur der Überprüfung des Heilungsprozesses der Hornhaut und der Anpassung der Linse, sondern auch dazu, eventuell auftretende Probleme im Alltag zu besprechen.

2 Wochen nach Anpassung

Es ist wichtig, auf mögliche Kontraindikationen wie kurze Tragezeit, gerötete Augen, Schwellungen der Bindehaut, Abdrücke der Blutgefäße, Hypoxie oder Schmerzen zu achten. Diese könnten Anzeichen dafür sein, dass Anpassungen an der Linse vorgenommen werden müssen oder dass die Linse nicht optimal sitzt.

2 Monate nach Anpassung: Die Langzeitkontrolle ist entscheidend, um den Zustand der Hornhaut zu überwachen und sicherzustellen, dass die Linse weiterhin korrekt sitzt und für den Träger bequem ist.

2 Monate nach Anpassung

Bei dieser Überprüfung berichtete die Patientin, dass die Linse weiterhin sehr bequem ist und sie problemlos Tragezeiten von bis zu 10 Stunden erreichen kann. Sie äußerte sich weiterhin sehr positiv über die Sklerallinse als Lösung für ihr Augenproblem.

Der Mann im Urlaub

Als ihr Mann für einige Tage verreiste, stand unsere 70-jährige Patientin vor der Herausforderung, ihre Sklerallinsen alleine aufzusetzen. Um ihr dabei zu helfen, empfahl ich ihr die Fitizy Aufsetzhilfe von SwissLens. Diese speziell für Skleral- und Hybridlinsen entwickelte Einsetzhilfe erwies sich als ideale Lösung. Die beleuchtete Funktion der Fitizy dient als Fixierhilfe, was es der Patientin ermöglichte, die Linse auch ohne fremde Hilfe präzise und sicher einzusetzen. Die einfache Handhabung und das kompakte Design der Fitizy erleichterten ihr den Umgang mit den Linsen erheblich.

Fitizy Aufsetzhilfe

Die Unabhängigkeit, die sie durch die Nutzung der Fitizy Aufsetzhilfe gewann, war für unsere Patientin von unschätzbarem Wert. Sie konnte ihre Linsen nun selbstbewusst und ohne Unterstützung einsetzen, was ihr ein neues Maß an Selbstständigkeit in ihrem Alltag brachte.

Fazit

Die Anpassung von Sklerallinsen bei Patienten mit besonderen Augenerkrankungen, wie im Fall unserer 70-jährigen Patientin mit neurotropher Keratopathie, zeigt eindrücklich die Vielseitigkeit und Effektivität dieser speziellen Linsen.

Trotz anfänglicher Unsicherheit und fehlender Erfahrung mit Kontaktlinsen konnte die Patientin durch gezielte Anleitung und Unterstützung nicht nur das Auf- und Absetzen der Linse erlernen, sondern auch eine signifikante Verbesserung ihrer Sehleistung und Lebensqualität erfahren.

Die regelmäßigen Kontrolltermine sind dabei unerlässlich, um den Heilungsprozess zu überwachen und mögliche Komplikationen frühzeitig zu erkennen. Dieser Fall verdeutlicht, wie individuelle Lösungen in der Augenoptik zu beeindruckenden Ergebnissen führen können und unterstreicht die Bedeutung einer sorgfältigen Anpassung und Nachsorge.
Es bleibt spannend zu beobachten, wie sich die Technologie und Anwendung von Sklerallinsen in der Zukunft weiterentwickeln wird, um noch mehr Menschen zu helfen, ihre Sehkraft und Lebensqualität zu verbessern.

=> Besuchen Sie SwissLens ist auf der opti 2024 in der Halle C4 am Stand 221

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Quellen:

  1. Dua HS, Said DG, Messmer EM et al (2018) Neurotrophic keratopathy. Prog Retin Eye Res 66:107–131
  2. Bild Sklerallinse Schema SwissLens
  3. Eastman DM et al. (2022) Neuropathic Ulcer. 2022 Jun 30. In: StatPearls [Internet]. Treasure Island (FL): StatPearls Publishing PMID: 32644640.
  4. Esen F, Toker E. Influence of Apical Clearance on Mini-Scleral Lens Settling, Clinical Performance, and Corneal Thickness Changes. Eye Contact Lens. 2017 Jul;43(4):230-235. doi: 10.1097/ICL.0000000000000266. PMID: 27171130.

Erstveröffentlichung in DOZ 11/2023

 

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