Gleitsichtgläser – eine Übersicht über Geometrien, Designs und Fertigung

Im Bereich der Gleitsichtgläser äußern sich Unterschiede in der Qualität ganz besonders. Naturgemäß sind in Folge auch starke Preisdifferenzen am Markt zu beobachten. Dem Endverbraucher ist der Nutzen hochwertiger Gleitsichtgläser nicht immer ganz einfach zu erklären beziehungsweise zu demonstrieren. Im folgenden Artikel werden deshalb unterschiedliche Systeme vorgestellt.

Gleitsichtgläser besitzen keine Rotationssymmetrie. Die geometrischen Unterschiede sind bei Gleitsichtgläsern sehr verschieden. Bei einigen modernen Gleitsichtglas-Systemen wird die progressive Zone und der Rezeptwert auf der Rückfläche vereint. Es gibt allerdings nahezu jede erdenkliche Art von Aufteilung der Wirkungen am Markt. Das Verständnis dieser unterschiedlichen Philosophien nutzt bei der Anpassberatung und Preistransparenz.

Symmetrische und Asymmetrische Gleitsichtgläser

Während mittlerweile nahezu alle moderne Gleitsichtgläser ein asymmetrisches Design aufweisen, gibt es immer noch symmetrische Glasdesigns, die in Einzelfällen auch sinnvoll in der Anwendung erscheinen.

A. Symmetrische Gleitsichtgläser

Jedes Gleitsichtglas weist eine Symmetrieachse auf. Bei symmetrischen Gleitsichtgläsern ist das Glas rechts und links von der Symmetrieachse komplett spiegelgleich. Bei der Fertigung der progressiven Fläche wird nicht zwischen rechten und linken Glas differenziert. Erst unmittelbar vor dem Schleifen der Rezeptwirkung wird das Glas nasal eingeschwenkt. Rechts und links von der Achse sind die gleichen Flächenastigmatismen und prismatischen Nebenwirkungen vorzufinden.

Symmetrische Gleitsichtgläser

Da die Symmetrieachse aber eingeschwenkt sein muss, können Probleme beim seitlichen Durchblick auftreten. Selbst wenn die Korrektionswerte für beide Augen den gleichen Scheitelbrechwert aufweisen, sind beim Durchblick außerhalb der Symmetrieachse die dioptrischen Werte, die Flächenastigmatismen und die prismatische Nebenwirkungen für das rechte und linke Auge unterschiedlich. In Folge ist die Fusion der beiden Bilder nachhaltig erschwert und die Raumwahrnehmung beeinträchtigt.

Symmetrische Brillengläser sind Gläser der ersten Generationen und sollten nur bei einäugigen Sehen zum Einsatz kommen. Bei funktionell einäugigen Personen – etwa bei einseitiger Amplyopie – ist die Konvergenz zumeist stark minimiert oder gar nicht existent. Symmetrische Gleitsichtgläser können für diese Personen ungeschwenkt oder schwächer eingeschwenkt bestellt werden.

B. Asymmetrische Gleitsichtgläser

Um das Binokularsehen zu optimieren wurden asymmetrische Glasdesigns entwickelt. Bereits bei der Fertigung werden etwaige dioptrische Wirkungsdifferenzen des rechten und linken Glases durch eine eigens berechnete asymmetrische Flächengestaltung ausgeglichen. Zwar ist die dioptrische Wirkung rechts und links der Symmetrieachse dann nicht mehr ident, dafür weist das Glaspaar bei seitlichen Durchblickspunkten für das rechte und linke Auge die nahezu gleichen Flächenastigmatismen und prismatischen Nebenwirkungen auf!

Asymmetrische Gleitsichtgläser

Das Resultat ist ein deutlich verbessertes Binokularsehen, geringere Schaukelbewegungen und ein angenehmeres Raumempfinden. Solche Gläser werden auch horizontalsymmetrische Gleitsichtgläser genannt.

Harte und weiche Glasdesigns

Harte Designs sind für breite Fern- und Nahteile optimiert. Außerhalb dieser Zonen ist jedoch ein starker, ortsabhängiger Flächenastigmatismus präsent. Die daraus resultierenden Schaukelbewegungen sind für die Eingewöhnung nicht förderlich.

Weiche Designs weisen zwar nicht ganz so breite Fern- und Nahteile auf, dafür ist der Flächenastigmatismus wesentlich besser über das Brillenglas verteilt. Der Schaukeleffekt fällt in Folge deutlich geringer aus. Als Preis dafür, ist die Sehschärfe außerhalb der Symmetrieachse geringfügig herabgesetzt.

Unterschiedliche Philosophien in der Herstellung

Das progressive Flächendesign wird bei mineralischen Brillengläsern durch Diamantschleifen spanabhebend hergestellt. Progressive Kunststoffgläser werden entweder durch Gießen oder mittels hochpräziser Diamant-Schneidewerkzeuge fabriziert. Zum Einsatz kommen CNC-gesteuerte Maschinen die bis zu 50.000 Punkte der Glasoberfläche ansteuern. Während der Bearbeitung kontrollieren Koordinaten-Messmaschinen die komplizierte Oberfläche, da konventionelle Scheitelbrechwertmesser das asphärische Design nicht ausreichend messen können.

Nr.1: Progressive, vorgefertigte Vorderfläche; sphärischer/torischer Rezeptwert auf der Rückfläche

Die Blenks verfügen über eine vorgefertigte, progressive Vorderfläche. Nach Bestellung durch den Augenoptiker wird auf der Rückseite des Glases die jeweils notwendige sphärisch/torische Fläche angebracht. Alternativ dazu kann das komplette Glas gegossen werden. Letztere Methode benötigt für jeden Durchmesser eine eigene Gießform.

Gleitsichtglas

Der Vorteil dieses Bauart ist die rasche, kostengünstigere Fertigung – eventuell im eigenen Minilabor. Nachteilig ist jedoch, dass die Rückfläche nicht asphärisch/atorisch ist und damit keine optimale Abbildungsqualität in allen Stärkenbereichen gewährleistet werden kann.

Nr.2: Progressive, vorgefertigte Vorderfläche; asphärischer/atorischer Rezeptwert auf der Rückfläche

Die Vorderfläche wird wie bei der Bauart Nr. 1 bereitgestellt. Die Rückfläche wird jedoch je nach Wirkung mittels CNC-Technologie asphärisch beziehungsweise atorisch angebracht.

Gleitsichtglas

Mit dieser Art der Herstellung können einige der Abbildungseigenschaften optimiert werden.

Nr.3: Progressive, individuelle Vorderfläche, vorgefertigter Rezeptwert auf der Rückfläche

Im Gegensatz zu den beiden vorhergehenden Bauformen sind bei dieser Bauart die Rückflächen mit dem sphärisch/torischen Rezeptwert als Blenk vorgefertigt.

Gleitsichtglas

Die Vorderfläche beinhaltet die Progressionswirkung und eine kompensierende Wirkung für die Abbildungsfehler die durch die vorgefertigte Rückfläche ausgelöst werden. Nach Bestellung durch den Augenoptiker wird die optimale Vorderfläche errechnet und mittels CNC-Technologie hergestellt.

Nr.4: Sphärische Vorderfläche, Progressionswirkung und sphärischer/torischer Rezeptwert auf der Rückfläche

Bei dieser jungen Bauart werden sowohl die Korrektionswerte als auch die Progressionswirkung zugleich auf der Rückfläche angebracht. Die Vorderfläche ist eine rein sphärische Fläche.

Gleitsichtglas

Die Rückfläche dieser Gläser wird erst nach Übermittelung der Rezeptwerte und individueller Parameter errechnet und gefertigt. Neben der Optimierung der Abbildungseigenschaften weist diese Bauart aufgrund der gleichmäßigen, sphärischen Vorderfläche einen kosmetischen Vorteil auf. Die Verlagerung der Progressionsfläche auf die Rückfläche führt naturgemäß zu einer Annäherung der Progressionswirkung zum Auge. Schon dadurch wird aufgrund des Schlüsselloch-Effektes das Gesichtsfeld im Progressions- und Nahbereich größer. Dieser Vorteil kommt insbesondere bei hyperopen Trägern mit mittel- und hochgradigen Korrektionswerten zu Tragen.

Nr.5: Sphärische Vorderfläche, Progressionswirkung und asphärischer/atorischer Rezeptwert auf der Rückfläche

Diese Bauart entspricht dem Aufwand der Bauart Nr. 4. Die Rückfläche ist allerdings asphärisch/atorisch gefertigt und weisen damit eine weitere Optimierung der Abbildungseigenschaften auf.

Gleitsichtglas

Länge der Progressionszone

Seit einiger Zeit werden Gleitsichtgläser mit verkürzten Progressionszonen angeboten. Welche Progressionszone gewählt wird kann selbstverständlich nur individuell entschieden werden. Liegt eine der wesentlichsten Erfordernisse im Mittelbereich (z.B. Kassentätigkeit), so sollte auf längere Progressionskanäle zurückgegriffen werden. Kurze Progressionszonen wiederum ermöglichen nicht nur den Einsatz in modischen, flachen Fassungen sondern auch einen raschen Übergang von der Ferne zum Nahbereich. Konsumenten mit verkürzten Progressionskanälen benötigen wesentlich geringere Blickabsenkungen um gut lesen zu können.

Quellen:
[1] Heiner Bohn, Technologie für Augenoptiker, 2 Auflage, 2002
[2] DOZ 3/98, Was ist eigentlich ein symmetrisches/asymmetrisches Brillenglas?
[3] DOZ 5+6/03, Die unterschiedlichen Gleitsichtglassysteme, das Verkaufs- und Beratungsgespräch, Dieter Kalder
[4] Heinz Diepes, Refraktionsbestimmung, 3. Auflage, 2004

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