Keine Kontaktlinse ohne gesunde Augen?

Seit dem Auftreten der relativ „hohen“ Anhäufung von Augeninfektionen mit der Pilzart Fusarium Solani und der damit in Zusammenhang stehenden Rücknahme einer All-in-One-Lösung vom Markt rückt das Thema „Schutz des Auges vor Infektionen“ wieder stärker in den Vordergrund. Sowohl eine mikrobielle Kontamination von Kontaktlinsen als auch eine Beeinträchtigung der Barrierefunktion des Augengewebes, können zum Entstehen kontaktlinsenbedingter Infektionen beitragen.

Eine Übersicht zur Zytotoxizität (Zellgiftigkeit) führender All-in-One-Lösungen für weiche Kontaktlinsen

Zur Vermeidung von Infektionen wurden lange zwei grundlegende medizinische Prinzipien angewandt:

1. der Schutz der Barrierefunktion des Gewebes und
2. die Eliminierung mikrobieller Kontamination.

Die Eliminierung mikrobieller Kontamination ist sehr wichtig. Der erste Schritt zur Vermeidung von Infektionen bedeutet für die Hornhaut allerdings die Aufrechterhaltung ihrer epithelialen Barriere. Aus demselben Grund, aus dem allgemein Brandopfer gegenüber Infektionen und Blutvergiftung besonders gefährdet sind, bedeutet das Fehlen jeglicher Barrierefunktion des nicht-spezifischen Immunsystems, eine Nicht-Einhaltung der ersten Forderung und somit eine erhöhte Anfälligkeit für Infektionen.

Infektionen am Auge durch Kontaktlinsen

Glücklicherweise kommt es beim Tragen von Kontaktlinsen im Normalfall selten zu Infektionen. Die jährliche Infektionsrate mit mikrobieller Keratitis bei Kontaktlinsenträgern, die ihre Kontaktlinsen täglich tragen, liegt in den USA bei 4 bis 21 auf 10.000 Träger in Abhängigkeit von dem Tragemodus (täglich/ übernacht). Auch wenn das Desinfizieren wieder verwendbarer Kontaktlinsen als Maßnahme zur Verhütung von Augeninfektionen beim Tragen von Kontaktlinsen unumstritten ist, kann es auch durch bestimmte Inhaltsstoffe bei der Kontaktlinsendesinfektion zu einer Beeinträchtigung der Barrierefunktion des Augengewebes kommen, da die verwendeten All-in-One-Lösungen in der Regel auch an die Augenoberfläche gelangen.

Desinfektionsleistung von Multifunktionslösungen (All-in-One-Lösungen)

Die amerikanische Aufsichtsbehörde FDA legt Leistungskriterien für die antimikrobielle Wirkung von Kontaktlinsenlösungen gegen die Bakterien Pseudomonas aeruginosa, Staphylococcus aureus und Serratia marcescens, den Schimmelpilz Fusarium solani und den Hefepilz Candida albicans fest. Ist eine All-in-One-Lösung in der Lage, die Konzentration dieser Testbakterien um 3,0 log-Einheiten (d.h. um 99,9%) und die Konzentration des Testhefepilzes und -schimmelpilzes um jeweils 1,0 log-Einheiten (90%) nach der empfohlenen Mindesteintauchzeit zu verringern („Stand-alone“- Desinfektionstest), sind für die Lösung keine weiteren Desinfektionstests notwendig. Die FDA geht davon aus, dass die vom Hersteller angegebenen zusätzlichen Reinigungsschritte (Spülen und/oder Abreiben) die Konzentration um weitere 3,0 log-Einheiten reduzieren, so dass die erforderliche Gesamtverringerung um 5,0 log (99,999%) bis 6,0 log (99,9999%) erreicht werden kann. Dies bedeutet, dass durch die zusätzlichen sorgfältig durchgeführten Reinigungsschritte nahezu Sterilität erzielt werden kann.

„Stand-alone“ – Desinfektionstest

In einer Reihe von Versuchen wurden fünf All-in-One-Lösungen für Kontaktlinsen auf ihre Stand-alone-Desinfektionsleistung hin getestet: Opti-Free Express (Alcon), ReNu MultiPlus und ReNu MoistureLoc (Bausch & Lomb), Solo-Care Aqua (Ciba Vision) und COMPLETE® MoisturePLUS™ (Advanced Medical Optics). Alle getesteten Lösungen erfüllten die Stand-alone-Desinfektionskriterien auch für die Schimmelpilze F. solani und C. albicans. Festzuhalten gilt, dass diese Ergebnisse rein durch Einlagerung in die jeweilige All-in-One-Lösung erzielt wurden. Die Hersteller der meisten Stand-alone-getesteten Lösungen, bei denen kein zusätzliches Abreiben der Linsen erforderlich ist („no rub“), empfehlen dennoch die Kontaktlinsen einige Sekunden lang abzuspülen und abzureiben. Es hat sich herausgestellt, dass sich durch diesen Spülschritt zusätzlich Mikroorganismen von der Kontaktlinsenoberfläche entfernen lassen. Dies erhöht wiederum die Sicherheit des Kontaktlinsenträgers. Offensichtlich kann man sich bei den führenden Marken-All-in-One-Lösungen auf die Desinfektionsleistung verlassen. Allerdings muss man sich an dieser Stelle Fragen, in welchen Fällen Augeninfektionen in Zusammenhang mit Kontaktlinsentragen und Hygiene auftreten können. Eine mögliche Ursache kann z.B. ein kontaminierter Kontaktlinsenbehälter darstellen.

Kontamination des Kontaktlinsenbehälters

Die Desinfektionsleistung einer Kontaktlinsenlösung kann durch das Niveau der mikrobiellen Kontamination im Linsenbehälter beeinträchtigt werden. In einer Studie waren 81 Prozent der Kontaktlinsenbehälter mit Mikroorganismen kontaminiert. Die häufigsten Kontaminanten waren die Gram-positiven Bakterien S. aureus und S. epidermidis sowie die Gram-negativen Erreger Pseudomonas und Serratia. Eine übermäßige Kontamination des Kontaktlinsenbehälters kann die Desinfektionsfähigkeit der Kontaktlinsenlösung zunichte machen. Der Desinfektionsprozess kann des Weiteren durch die Bildung bakterieller Biofilme im Kontaktlinsenbehälter beeinträchtigt werden. Die Glykokalyx (ein dichtes Netz aus Polysacchariden und Glykoproteinen) in bakteriellen Biofilmen fördert die Resistenz der Mikroorganismen gegen manche Konservierungsstoffe. Diese Biofilme werden durch das Hinzufügen frischer Desinfektionslösung oder auch Peroxid nicht immer durchgängig inaktiviert.

Erhaltung der Barrierefunktion der Kornea

Mit relativ hoher Wahrscheinlichkeit ist die Erhaltung der Barrierefunktion des Augengewebes im Hinblick auf die Verhütung von Infektionen von entscheidender Bedeutung. Durch eine Abgabe von einem oder zwei Tropfen der Lösung von der Kontaktlinse an das Auge beim Aufsetzen der Linsen können Multifunktionslösungen mit relativ hohen Zytotoxizitätswerten die Barrierefunktion des Augengewebes beim Tragen von Kontaktlinsen beeinträchtigen. Diese Zyotoxizitätswerte kommen durch einen relativ hohen Anteil an chemischen bzw. körperfremden Zusätzen in einigen All-in-One-Lösungen zustande. So übertragene Reinigungs- und Desinfektionslösung würde so lange in direktem Kontakt mit der Augenoberfläche stehen, bis sie unter der Linse über das Tränensystem vollständig entfernt wurde. Im Folgenden sind Rasterelektronenmikroskop-Aufnahmen von Hornhäuten abgebildet, die im Vergleich zur unbehandelten Kontrolle 7 Tage lang mit je 2 Tropfen der jeweiligen All-in-One-Lösung behandelt wurden.

COMPLETE® MoisturePLUS™ erhält die korneale Zellintegrität besser als die Mitbewerber

Wie in den nachfolgenden Bildern gezeigt wird, bleibt die Integrität der kornealen Zellen bei Augen, die mit COMPLETE® MoisturePLUS™ behandelt wurden, näher an der normalen Kontrolle als bei allen anderen All-in-One Lösungen.3

Cornea Hornhaut Kontaktlinsenpflegemittel
COMPLETE® MoisturePLUS™ zeigte die besten Ergebnisse in Bezug auf Vermeidung von Hornhautschäden und auf das gesamte Erscheinungsbild der Hornhautoberfläche im Vergleich zur Kontrolle.

Die potenziellen Wirkungen von All-in-One-Lösungen auf die Barrierefunktion des Augengewebes lassen sich auch mit Hilfe von Toxizitätstests an Zellen, wie dem Neutralrotretentionstest (Neutralrotrückhaltetest), der Lösungen ermitteln.

Neutralrotretentionstest zur Zytotoxizität

Untersuchungen zur Zytotoxizität lassen sich bei Multifunktionslösungen (All-in-One-Lösungen) mit Hilfe des Neutralrot-Retentionstests durchführen. In gesunden, lebensfähigen Zellen wird der neutralrote Farbstoff aufgenommen und in den Lysosomen der Zellen eingelagert. Bei einer Beschädigung der Zellmembran wird der Farbstoff teilweise aus den Zellen freigesetzt. Der in den Zellen verbleibende Farbstoff lässt sich extrahieren und quantifizieren. Mit diesem Verfahren lässt sich die Zytotoxizität messen: Je höher der Verlust an neutralrotem Farbstoff, desto stärker die Schädigung der Zellmembran. Hier wurde der Neutralrottest an Epithelzellen der MDCK-Zelllinie (Madin-Darby Hundenierenzellen) durchgeführt, die den Epithelzellen der menschlichen Augen sehr ähnlich sind. In einer Reihe von Versuchen setzten wir die Zellen in vitro (außerhalb des Körpers) einer der fünf kommerziell erhältlichen Multifunktionslösungen aus: COMPLETE® MoisturePLUS™, ReNu MultiPlus, ReNu MoistureLoc, Solocare Aqua und Opti-Free Express.3

Phosphatgepufferte Kochsalzlösung, die keine Zellschädigungen auslösen soll, wurde als negative Kontrolle für die Zytotoxizität verwendet. Als positive Kontrolle wurden 200 ppm (parts per million) Benzalkoniumchlorid (BAK) in phosphatgepufferter isotonischer Kochsalzlösung verwendet. Die Testergebnisse sind in der nachfolgenden Abbildung dargestellt.

Retention Neutralrot
Abbildung: Wirkung von Multifunktionslösungen auf die Zellintegrität, gemessen mittels Neutralrot-Retentionstest.
Opti-Free Express ist zytotoxisch, lysiert die Zellen in demselben Ausmaß wie eine Lösung aus 200ppm BAK (Benzalkoniumchlorid).
COMPLETE® MoisturePLUS™ und ReNu MultiPlus führten zu keiner signifikanten Veränderung der Neutralrotretention (Zellintegrität)
im Vergleich zur Kontrolle aus gepufferter Kochsalzlösung.

Opti-Free Express erwies sich in diesem Test als zytotoxisch. Innerhalb von 60 Minuten reduzierte die Multifunktionslösung die zellulären Neutralrot-Werte auf 17 % der Kontrolle. Dies stellt keinen signifikanten Unterschied zur zytotoxischen Wirkung einer Lösung von 200 ppm BAK bei diesem Test dar. Eine Exposition menschlicher und Kaninchen – Kornea gegenüber nur zwei Tropfen BAK in dieser Konzentration erhöhte die epitheliale Permeabilität der Kornea nachweislich und beeinträchtigte so die Barrierefunktion. Im Gegensatz dazu führten COMPLETE MoisturePLUS™ und ReNu MultiPlus im Vergleich zu der gepufferten Kochsalz-Kontrolllösung zu fast keiner signifikanten Veränderung der Neutralrotretention (und somit zu so gut wie keiner signifikanten Veränderung der Zellintegrität).

Tchao1 zeigte, dass die durch die verschiedenen Opti-Free-Lösungen verursachte Erhöhung der Zellpermeabilität mit morphologischen Anzeichen einer Zellschädigung korrelierte, die mittels Rasterelektronenmikroskopie sichtbar gemacht wurden (siehe auch Hornhautbilder oben).

Intakte Cornea

Lösungsbestandteile für Zytotoxizität verantwortlich

Ein möglicher Unterschied zwischen Opti-Free Express und den anderen von uns getesteten Multifunktionslösungen für Kontaktlinsen könnte im verwendeten Desinfektionsmittel liegen. Opti-Free Express verwendet als einzige getestete Lösung Polyquad (10ppm = parts per million). Lopez und Ubels stellten bereits 1991 fest, dass die Exposition von Kaninchen-Kornea gegenüber eines künstlichen Tränenersatzmittels mit 0,001 % (10 ppm) Polyquad die epitheliale Barrierefunktion der Kornea beeinträchtigte.

Zusammenfassung

Zytotoxizitätstests weisen darauf hin, dass die Multifunktionslösungen Opti-Free Express, und auch Solocare Aqua die Barrierefunktion des Augengewebes in Mitleidenschaft ziehen können. Dies lässt darauf schließen, dass insbesondere die Verwendung von Opti-Free Express, und auch von Solocare Aqua, bei der Vorbeugung vor Augeninfektionen während des Tragens von Kontaktlinsen weniger vorteilhaft sein kann als die Verwendung von zum Beispiel COMPLETE MoisturePLUS™.

Literatur:
E. Kao, S.Huth, Protecting Korneal Barrier Function while Optimizing Contact Lens Disinfection, Review of Contact Lenses, Sept. 2004
[1] Tchao R. et al. Comparison for contact lens multipurpose solutions by in vitro sodium flourescein permeability assay, CLAOJ 2002
[2] Lopez BD, Ubels JL, Qantitative evaluation of the corneal epithelial barrier: effect of artificial tears and preservatives, Curr Eye Res 1991
[3]
AMO Inc., Data on file, Santa Ana

Autor:
Alexandra Spiegler
AMO Germany GmbH
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76275 Ettlingen
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