Ein deutscher Augenoptiker wurde verurteilt, weil er seinen Aufklärungspflichten einer Brillenkundin gegenüber nicht nachgekommen ist. Er hat das Rezept des Augenarztes einfach übernommen, obwohl es unvollständig war. Er hätte die Kundin über ein gewisses Risiko bei der Herstellung der Brille informieren müssen und in der Folge eine Refraktion durchführen müssen.
Eine hyperope und presbyope Frau suchte im August 2006 einen Augenarzt auf und ließ eine „augenärztliche Untersuchung“ durchführen. Im Rahmen dieser Untersuchung stellte der Augenarzt eine Brillenverordnung aus. Mit dieser Brillenverordnung kam die Frau im September 2006 zu einem deutschen Optiker und beauftragte ihn auf Basis der Verordnung eine Fernbrille zu fertigen. Nach dem Abholen und Bezahlen der Brille stellten sich bei der Konsumentin erhebliche Probleme mit der Brille ein.
Die Konsumentin reklamierte beim Augenoptiker, der sich des Vorwurfs einer falschen Brille wehrte, da ja die Refraktionswerte vom Augenarzt stammten. Darauf hin brachte die Brillenkäuferin Klage beim Amtgericht Gelsenkirchen-Buer ein und beschuldigte den Augenoptiker, dass er die Pupillendistanz nicht richtig eingeschliffen hätte und er als Optiker verpflichtet gewesen wäre, die vom Arzt verordneten Werte nochmals zu überprüfen.
Der Augenoptiker rechtfertigte sich vor Gericht, dass er die Brille gemäß der vorgelegten ärztlichen Verordnung gefertigt hatte und somit keine fehlerhafte Leistung aus seinem Verschulden vorliegen würde. Die Zentrierung der Brillengläser war auch ordnungsgemäß in der neuen Brille erfolgt – war jedoch falsch in der alten Brille. Dieses Prisma der alten Brille war die Konsumentin offensichtlich bereits gewohnt – oder diente tatsächlich der Korrektur einer Heterophorie. Faktum war jedoch, dass auf der Brillenverordnung des Augenarztes kein Prisma vermerkt war, weshalb der Optiker sich rechtfertigte die Brillengläser gemäß der Pupillendistanz der Kundin korrekt eingearbeitet zu haben.
Das deutsche Gericht beauftragte ein Sachverständigengutachten und gab der klagenden Konsumentin trotz der auf Basis der ärztlichen Verordnung offensichtlich korrekt angefertigten Brille Recht! Das Gericht warf dem beklagten Augenoptiker vor, dass er „nicht ohne weiteres unter Berücksichtigung der ärztlichen Verordnung die Brille hätte fertigen können, sondern selbst die Überprüfung vornehmen müssen“.
Betreffend der „falschen“ Pupillendistanz führte der Gutachter (übrigens ein Arzt) an, dass „Angaben zur Pupillendistanz der Klägerin, die aber bei der Verordnung fehlten erforderlich gewesen wäre, ganz fehlten. Der zuständige Arzt hatte insoweit nur reduzierte Angaben gemacht und den gesetzlichen Anforderungen genügt“. Im Folgenden kam das Gericht zur Ansicht, dass aufgrund der Aussage des Gutachters eigentlich gar keine „augenärztliche Verordnung“ vorgelegen sei, sondern nur eine „augenärztliche Ergebnismitteilung“, das heißt ein Refraktionsprotokoll. „Denn nach den nachvollziehbaren und überzeugenden Ausführungen des Gutachters erfordert eine Brillenverordnung, die für den Optiker verbindlich ist, Angaben zur Brillenausführung, zur Prismannotwendigkeit, zum Hornhautscheitelabstand und zur Pupillendistanz“, so das Amtgericht Gelsenkirchen-Buer.
Die Schlussfolgerung des Gerichts war, dass es für den Augenoptiker in diesem Fall zwingend erforderlich gewesen wäre, die Angaben des Augenarztes nochmals zu überprüfen. Alternativ hätte auch die Möglichkeit bestanden, mit dem Augenarzt Rücksprache zu halten.
Jedenfalls hätte der Optiker die Kundin darüber aufklären müssen, dass das Rezept unvollständig sei und somit ein gewisses Risiko bei der Herstellung besteht. Hätte die Klägerin dann tatsächlich auf eine weitere Prüfung verzichtet, so wäre sie mit ihrer Klage nicht erfolgreich gewesen.
Es lag auch kein schlüssiger Verzicht der Klägerin vor – der Beklagte bzw. seine Mitarbeiterin hatten eine Refraktion nachgefragt, die von der Beklagten mit Hinweis auf die Verordnung beantwortet wurde. In der Urteilsbegründung führt das Gericht aus: „Ein derartiger Verzicht wäre nur dann gegeben, wenn die Klägerin tatsächlich von dem Beklagten oder einer MitarbeiterIn ausführlich darüber aufgeklärt worden wäre, dass das ärztliche Attest nicht vollständig ist und ein gewisses Risiko bei der Herstellung besteht. Sofern dann die Klägerin tatsächlich auf eine weitere Prüfung verzichtet hätte, wäre sie mit Ansprüche ausgeschlossen.“ Dies war aber nicht der Fall.
Abschließend begründete das Gericht die Verurteilung des Augenoptikers damit, dass alleine die Vorlage einer Verordnung durch den Augenarzt keinen Verzicht auf die Ermittlung neuer Werte durch den Augenoptiker beinhaltet. Denn der Klägerin konnte gar nicht bewusst sein, dass die ärztliche Verordnung nicht bindend bzw. unvollständig war, was dem Beklagten bzw. seiner Mitarbeiterin bei pflichtgemäßem Handeln aber hätte auffallen müssen.
Auch in Österreich wäre in einem solchen Fall eine Verurteilung des Optikers denkbar. Allein die Vorlage einer augenärztlichen Verordnung genügt unter Umständen nicht und entlässt nicht aus der Verantwortung! Aufklärung des Kunden ist zwingend notwendig und eine Refraktion kann möglicherweise viel Ärger ersparen!




