Kurzwelliges, sichtbares Licht, altersbedingte Makuladegeneration (AMD) und Blendung

Wenn Konsumenten an Sonnenbrillen denken, so steht neben den modischen Aspekten vor allem der „100prozentige UV-Schutz“ im vordergründigen Interesse. Dies macht auch für den Schutz des vorderen Augenabschnittes, der refraktiven Augenmedien des Erwachsenen und vor allem der kindlichen Netzhaut Sinn. Was ist jedoch mit dem kurzwelligen, sichtbaren Licht? Also dem blauen Lichtanteil. Sollten Sonnenbrillen auch im sichtbaren Lichtbereich eine Filterwirkung aufweisen oder reicht ein „100prozentiger UV-Schutz“ völlig aus?

Altersbedingte Makuladegeneration (AMD) und Seheinschränkungen

Eine altersbedingte Makuladegeneration (AMD) ist eine Krankheit, die nachhaltig das Sehen im zentralen Gesichtsfeld beeinträchtigt. Dieses zentrale Sehen ist jedoch für die Aufgaben des täglichen Lebens von enormer Bedeutung. Personen die von einer AMD betroffen sind, leiden vor allem wenn es um das Lesen geht.

Als blind gilt in Österreich, wer am besseren Auge mit optimaler Korrektur eine Sehleistung mit einem Visus von kleiner oder gleich 0,02 (1/60) erreicht [1]. Im angloamerikanischen Raum gilt man bereits bei einem Visus von 0,10 (20/200) blind [2]. Das bedeutet, dass der Gesetzgeber beim Erreichen einer sehr geringen zentralen Sehschärfe von „Blindheit“ spricht. Eine AMD ist eine chronische, progressive Augenkrankheit, die hautsächlich Personen über dem 50. Lebensjahr betrifft. Sie ist mit einer Prävalenz von 8,7% weltweit die dritthäufigste Ursache von Erblindungen nach dem Katarakt und dem Glaukom. In den Wirtschaftsländern ist die AMD sogar die führende Ursache von Erblindungen aufgrund der Zunahme an Personen welche ein Alter über 70 Jahre erreichen [3].

Altersbedingte Makuladegeneration (AMD) in Österreich

Im letzten Volksbefragung – dem Mikrozensus 1995 – wurden keine Fragen zur Prävalenz einer AMD in der österreichischen Bevölkerung durchgeführt [4]. Verschiedene Quellen schätzen, dass in Österreich etwa 25.000 Personen unter einer fortgeschrittenen, neovaskulären AMD leiden [5]. Nimmt man das durchschnittliche Verhältnis von neovaskulärer (15%) und nicht-neovaskulärer (85%) AMD [6] so käme man auf etwa 170.000 ÖsterreicherInnen, die von einer AMD betroffen wären. Demographische Änderungen in der österreichischen Population und die gestiegene Lebenserwartung wird in den kommenden 20 Jahren zu einem Wachstum der ÖsterreicherInnen über 60 Jahren von derzeit 22% auf nahezu 30% führen [7,8]. Dies wird logischerweise zu einer Zunahme der Anzahl von AMD Patienten in Österreich führen. Prävention und Früherkennung – auch mit Hilfe von Augenoptikern und Optometristen – wird deshalb noch wichtiger werden als bereits bisher.

Ist blaues Licht schädlich?

Intensive Lichteinwirkung kann die Netzhaut nachhaltig beschädigen – einige Studien weisen besonders darauf hin, dass kurzwelliges, sichtbares, blaues Licht möglicherweise toxische Reaktion bei Personen die im allgemeinen zu Makulaproblemen neigen auslöst [9,10,11,12]. UVA und UVB Strahlungen werden beim Erwachsenen durch die Hornhaut und Augenlinse zu einem hohen Anteil gefiltert [13]. Etwa 25% des kurzwelligen, sichtbaren Lichtes zwischen 430nm und 500nm filtert letztendlich die Makula selbst mit Hilfe ihres Pigments aus [14]. Tierversuche haben gezeigt, dass das Spektrum von (unsichtbaren) UV bis zum (sichtbaren) blauen Licht Netzhautschäden verursachen kann – bei langer Bestrahlung mit kurzwelligen Licht, steigen die toxischen Reaktionen in der Netzhaut [15,16,17,18,19,20,21,22,23,24,25,26,27,28].

AMD neovaskular Blueblocker
Neovaskulare AMD OD

Folgert man all diesen Studien, so liegt der Schluss nahe, dass eine lange bzw. langjährige Expositur von intensiver, kurzwelliger Lichtstrahlung im kurzwelligen, sichtbaren Bereich makuläre Netzhautschäden zumindest begünstigen kann.

Besser Sehen mit Blueblocker

Das Empfindlichkeitsmaximum für photopisches Sehen (Tageslichtsehen) liegt bei 555nm, also im gelbgrünen Farbbereich [29]. Beim Erwachsenen wird etwa 50% des sichtbaren Lichtes unter 490nm durch Hornhaut und Augenlinse gefiltert. Unter 400nm wird nahezu 100% des Lichtes von Hornhaut und Augenlinse gefiltert [13,14]. Dieses Filtern ist besonders wichtig, damit die Rezeptoren vom kurzwelligen Licht im Bereich der UV-Strahlung geschützt werden.

Die Zapfen in der Netzhaut werden in drei Arten unterteilt:

  • S-Zapfen („short wavelength“ => S-Zapfen), welche ihre höchste Sensitivität gegenüber blau-violetten Wellenlängen um 445nm haben
  • M-Zapfen („medium wavelength“ => M-Zapfen), welche ihre höchste Sensitivität gegenüber grünen Wellenlängen um 540nm haben
  • L-Zapfen („long wavelength“ => L-Zapfen), welche ihre höchste Sensitivität gegenüber grün-gelben Wellenlängen um 565nm haben

Wiewohl sich im Zentrum der Fovea nahezu keine S-Zapfen befinden [30], muss der verbleibende Blauanteil in die Überlegungen betreffend einer chromatischen Längsabberation (Farbenlängszertreuung) berücksichtigt werden. Im Auge sind die refraktiven Medien – also die Augenlinse und die Hornhaut – Verursacher einer chromatischen Aberration.

Chromatische Längsaberration Auge Farbzerstreuung
Chromatische Längsaberration im Auge

Kurzwelliges Licht wird dabei stärker gebrochen als langwelliges Licht. Licht mit einer Wellenlänge von 555nm trifft im Falle einer Emmetropie oder einer voll korrigierten Ammetropie optimal in der Makula auf. Blaues Licht wird hingegen als Streulicht wahrgenommen und verursacht Blendungen. Ein Filtern des blauen, sichtbaren Lichtanteils geht daher im Regelfall mit einem Anstieg des Kontrastsehens einher.

Zusammenfassung

Kurzwelliges, sichtbares Licht kann besonders Personen mit einer Disposition zu Makulaproblemen retinalen Schaden zufügen. Zudem führt dieser Blauanteil im sichtbaren Lichtbereich zu Streulichtern und Blendungen. Augenoptiker und Optometristen sollten aus diesen beiden Überlegungen ihren Kunden sicherheitshalber Sonnenbrillen mit Blueblockern empfehlen.

Quellen:
[1] § 4a Abs. 5 BPGG, Stand 03.07.2009 von http://www.ris.bka.gv.at/Dokument.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Dokumentnummer=NOR40019285
[2] National Federation of the Blind, Stand 03.07.2009 von http://www.nfb.org/nfb/Legally_Blind_Definition.asp?SnID=2
[3] World Health Organisation – WHO, Magnitude and causes of visual impairment, Stand November 2004, von http://www.who.int/mediacentre/factsheets/fs282/en/
[4] Österreichisches Statistisches Zentralamt (1995), Ergebnisse des Mikrozensus Juni 1995, Personen mit körperlichen Beeinträchtigungen
[5] Pfizer Corporation Austria Gesellschaft m.b.H. (06.03.2006), Neues Medikament für die Behandlung altersbedingter Netzhauterkrankungen erhält EU-Zulassung
[6] National Eye Institute – NEI (December 3rd 2007), Age-Related Eye Disease Study 2 Protocol
[7] Statistik Austria, Bevölkerungsveränderung seit 1981 – Österreich
[8] Statistik Austria, Bevölkerungsprognose 2007
[9] Rozanowska et al, Blue light-induced singlet oxygen generation by retinal lipofuscin in non-polar media. Free Radic Biol Med. 1998 May;24(7-8):1107-12.
[10] Rozanowska M et al., Blue light-induced reactivity of retinal age pigment. In vitro generation of oxygen-reactive species. J Biol Chem. 1995 Aug 11; 270(32): 18825-30.
[11] Pawlak et al., Action spectra for the photoconsumption of oxygen by human ocular lipofuscin and lipofuscin extracts. Arch Biochem Biophys. 2002 Jul 1;403(1):59-62.
[12] Verma L, Venkatesh P, Tewari H., Phototoxic retinopathy. Ophthalmology Clinics of North America. 2001;14(4): 601-609.
[13] Harald Belyus, MSc, Strahlenschäden am Auge und deren Prävention, optikum, 07. Juni 2006, https://www.optikum.at/473.htm
[14] Bruce MacEvoy, light and the eye, Stand 04.07.2009 von http://www.handprint.com/HP/WCL/color1.html
[15] American Conference of Governmental Industrial Hygienists. Threshold limit values for chemical substances physical agents: biological exposure indices. Cincinnati: ACGIH, 1997.
[16] International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection. Guidelines on limits of exposure to broad-band incoherent optical radiation (0.38 to 3 microM). Health Phys 1997;73:539–54.
[17] Sliney DH, Bitran M. The ACGIH action spectra for hazard assessment: The TLV’s. In: Matthes R, Sliney DH, ed. Measurements of optical radiation hazards. Oberschleissheim, Germany: International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection (ICNIRP 6/98) and CIE (x016- 1998), 1998:241–29.
[18] Kremers JJ, van Norren D. Two classes of photochemical damage of the retina. Lasers Light Ophthalmol 1988;2:41–52.
[19] Sliney DH, Wolbarsht ML. Safety with lasers and other optical sources: a comprehensive handbook. New York: Plenum Press, 1980.
[20] Kremers JJ, van Norren D. Retinal damage in macaque after white light exposures lasting ten minutes to twelve hours. Invest Ophthalmol Vis Sci 1989;30:1032–40.
[21] Van Norren D, Schellekens P. Blue light hazard in rat. Vis Res 1990;30:1517–20.
[22] Rapp LM, Smith SC. Morphologic comparisons between rhodopsinmediated and short-wavelength classes of retinal light damage. Invest Ophthalmol Vis Sci 1992;33:3367–77.
[23] American Conference of Governmental Industrial Hygienists. Threshold limit values for chemical substances physical agents: biological exposure indices. Cincinnati: ACGIH, 1997.
[24] International Commission on Non-Ionizing Radiation Protection. Guidelin es on limits of exposure to broad-band incoherent optical radiation (0.38 to 3 microM). Health Phys 1997;73:539–54.
[25] Williams TP, Howell WL. Action spectrum of retinal light-damage in albino rats. Invest Ophthalmol Vis Sci 1983;24:285–7.
[26] Pautler EL, Morita M, Beezley D. Hemoprotein(s) mediate blue light damage in the retinal pigment epithelium. Photochem Photobiol 1990;51:599–605.
[27] Saari JC, Garwin GG, Van Hooser JP, et al. Reduction of all-trans-retinal limits regeneration of visual pigment in mice. Vis Res 1998;38:1325–33.
[28] Grimm C, Remé CE, Rol PO, et al. Blue Light&# 146; s effects on rhodopsin: photoreversal of bleaching in living rat eyes. Invest Ophthalmol Vis Sci 2000;41:3984–90.
[29] Helmut Hirner, Physiologie für Biologen und Mediziner – medic Art bearbeitet Prüfungsfragen aus Wien, 03.07.2009, von http://helmut.hirner.at/physio/Kapitel2/frag30/sehen.html
[30] Calkins DJ, Seeing with S cones, Prog Retin Eye Res. 2001 May;20(3):255-87.

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