Für sehr viele Berufe ist ein gutes räumliches Sehen Voraussetzung. Als Grenzwert wird meistens ein Stereogrenzwinkel von ≤100 Winkelsekunden (’’) verwendet. Dieser Grenzwert sei „eine historisch bedingte und mehr oder weniger willkürliche Festlegung, um einen festen Maßstab für Gutachter und Behörden zu schaffen“, so Prof. Lachenmayr, einer der führenden Verkehrs-Ophthalmologen.
In ihrer Bachelorarbeit, die jetzt mit dem Wissenschaftspreis 2024 von Rupp + Hubrach (R+H) ausgezeichnet wurde, untersucht Loreen Roth von der Berliner Hochschule für Technik (BHT), ob Menschen mit einem größeren (also „schlechteren“) Stereogrenzwinkel unter Alltagsbedingungen tatsächlich im räumlichen Sehen eingeschränkt sind. Auf Basis ihrer wissenschaftlichen Untersuchungen schlägt Loreen Roth vor, den Grenzwert von 100 auf 300 Winkelsekunden anzuheben.
Masterstudentin der Augenoptik/Optometrie punktet mit ihrer praxisrelevanten Bachelorarbeit
Das Ergebnis der Arbeit kann vor allem für Berufe wie Piloten, Kranführer, Chirurgen, Feinmechaniker, Berufskraftfahrer oder Polizisten wichtig sein, denn für sie gelten bestimmte Anforderungen an das räumliche Sehen. Die Fähigkeit, Entfernungen richtig einzuschätzen, basiert dabei auf verschiedenen Tiefeninformationen, wobei die Stereopsis – das Stereosehen – eine zentrale Rolle spielt. Der kleinste wahrnehmbare Tiefenunterschied ergibt den Stereogrenzwinkel, der in Gutachten mit Winkelsekunden (’’) quantifiziert wird. Je kleiner dieser Winkel ist, desto besser ist das Stereosehen entwickelt. Während der normale Bereich zwischen 15 und 60 Winkelsekunden liegt, wurde der Grenzwert für bestimmte Fahrerlaubnisklassen auf 100 Winkelsekunden festgelegt. Dieser Wert ist jedoch bisher nicht statistisch abgesichert.
Bachelorarbeit mit hoher Praxisrelevanz
In ihrer Arbeit mit dem Titel „Zusammenhang zwischen der Qualität des querdisparaten Tiefensehens und der Wahrnehmung räumlicher Tiefe im natürlichen Sehen“ kommt Roth zu dem Ergebnis, dass Menschen mit einem Stereowinkel zwischen 4,8 und 300 Winkelsekunden ähnlich viele Fehler machen und ähnliche Zeit für räumliche Wahrnehmungsaufgaben benötigen. Sie empfiehlt daher, den Grenzwert auf 300’’ zu erhöhen, schlägt jedoch vor, dies berufsspezifisch zu betrachten.
Prof. Ralph Krüger von der BHT lobte u.a. die eigenständige Durchführung der Messungen und die statistische Auswertung von Roth. „Ihre Arbeit wurde sowohl von mir als auch von dem Gutachter Prof. Dipl.-Ing. (FH) Christoph von Handorff mit „sehr gut“ bewertet.“
Diesem Urteil folgte auch die Wettbewerbsjury des Wirtschaftspreises 2024. Diese war erneut hochkarätig besetzt mit Repräsentanten der Hochschulen Berlin (Prof. Holger Dietze), Jena (Prof. Michael Gebhardt), Aalen (Prof. Peter Baumbach) und Lübeck (Prof. Hans-Jürgen Grein) sowie dem ehemaligen Direktor der HFA Köln (Dr. Wolfgang Wesemann). Stefanie Enderlin, Leiterin R+H-Produktentwicklung, und R+H Geschäftsführer Ralf Thiehofe komplettierten das Gremium.
„Loreen Roth hat für ihre Messungen nicht nur bestehende Testmethoden angewendet, sondern für die Untersuchung der räumlichen Wahrnehmung auch eigenständige Methoden entwickelt“, so Ralf Thiehofe. So stellte die Studentin u.a. Flaschen mit verschiedenfarbigen Verschlüssen in unterschiedlicher Entfernung auf, um das räumliche Sehen unter natürlichen Bedingungen zu untersuchen. Auch Prof. Krüger lobte diese kreative Herangehensweise.
Loreen Roth absolvierte eine Ausbildung zur Augenoptikerin und studiert derzeit an der BHT. Ihr Ziel ist der Master of Science in Augenoptik/Optometrie. Die Verleihung des R+H Wissenschaftspreises 2024 wird am 26. November 2024 auf dem BHT-Campus in Berlin stattfinden. Weitere Informationen zur Bachelorarbeit und der Preisverleihung sind auf rh-brillenglas.de verfügbar.
Weitere Informationen zum Wissenschaftspreis, der Bachelorarbeit von Loreen Roth und der Preisverleihung gibt es auf rh-brillenglas.de.
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