Hören, Sehen, Blicken und Zählen: Neuerscheinung zum Thema Teilleistungen

Im Verlag Hans Huber ist aktuell ein Buch zum Thema Teilleistungen und ihre Störungen erschienen. Autor Prof. Dr. Burkhart Fischer hat in mehreren Jahren einzelne Trainingsverfahren für das Hören, Sehen, Blicken und Zählen untersucht. Der Hirnforscher von der Universität Freiburg berichtet im vorliegenden Buch über die gewonnenen Kenntnisse.

Die Neuerscheinung gliedert sich in vier Teilbereiche: die Entwicklung der einzelnen Fähigkeiten, deren Störungen, Hilfeleistungen bei Störungen und letztendlich den Transfer auf schulische Fertigkeiten. Der Autor geht in seinem Buch bewusst nicht auf Pathologien der Augen und Ohren ein, sondern erklärt vielmehr die Verarbeitung der Sinnesanforderungen auf ihrem Weg zu den Wahrnehmungszentren im Gehirn. Fischer weist jedoch darauf hin, dass es gezielte Studien benötigen würde, aus denen man lernt ob und wie wirksam ein bestimmtes Trainingsverfahren in Bezug auf eine bestimmte Lernleistung ist.

Nach dem einleitenden Kapitel wird dem Leser anschaulich die kindliche Entwicklung der Sinnesverarbeitungen erklärt. Auch der entwicklungsbedingte Unterschied zwischen Mensch und Tier im Zusammenhang mit den Sinnesverarbeitungen wird verdeutlicht. Im Bereich des Sehens erklärt Fischer unter anderem die Entwicklung der unbewussten Sakkaden-Reize und veranschaulicht mittels einer experimentellen Anordnung, dass durch Sinnesreize ausgehende Blicksprünge willentlich nur sehr schwer zu beeinflussen sind. Auch beschreibt der Autor einen Testaufbau zum Beweis von unwillkürlichen Sakkaden bei der Fixation eines Punktes, welche bei Kindern deutlich stärker ausgeprägt sind als beim Erwachsenen

Nachfolgend erfährt der Leser gut beschrieben den funktionellen Ablauf der Hörverarbeitung. Der Autor beschreibt in diesem Zusammenhang fünf Hörtests zur Sprachfreien auditiven Differenzierung. Mit Hilfe von Serientests zeigt Fischer, dass die auditive Differenzierungsfähigkeit für das „Erwachsenenniveau“ im Schnitt erst im 20. Lebensjahr erreicht wird. Dies bedeutet jedoch, dass in der Schulzeit einige Schüler in manchen Hörbereichen noch nicht über die auditiven Differenzierungsmöglichkeiten eines „Erwachsenen“ verfügen!

Analog zum Hören berichtet Fischer über Versuchsanordnungen, welche das dynamische Sehen unter Zeitdruck evaluieren. Bei einigen dieser Test erreichten Kinder im Alter von 7 Jahren nur 10% der Leistung von der Vergleichsgruppe der Erwachsenen. Zusammenfassend kommt der Autor zum Schluss, dass bei Kindern auch noch Jahre nach dem Schulbeginn das dynamische Sehen nicht am Niveau der Erwachsenen liegt.

Im anschließenden Kapitel über Störungen der Sinnes- und Blickfunktionen erhält der Leser einen Einblick in mögliche visuelle Defizite bei Legasthenie bzw. Lese-Rechtschreibschwäche (LRS). So sind laut Fischer bei Legasthenikern nicht die unbewussten, sondern die bewussten Blicksteuerungen defizitär. Auch die Fixation ist laut Fischer mangelhaft im Vergleich zu einer nicht legasthenischen Kontrollgruppe. Der Autor beschreibt seine Erkenntnisse mit Hilfe von Serientests. Auch geht er auf spezifische, visuelle Defizite bei Dyskalkulie (Rechenschwäche) und Aufmerksamkeitsdefizit/Hyperaktivität (ADHS) ein.

Mögliche Hilfeleistungen beschreibt der Autor im dritten Kapitel. Dabei rät er zu symptomspezifischem Training. Also etwa bei einem Defizit der Fixations-Stabilität diese Funktion gesondert zu trainieren. Fischer führt in diesem Bereich des Buches die theoretischen Grundlagen der Trainingsmethoden an. Wünschenswert wäre es, dem Leser des Buches eine ausführlichere Anleitung der Testanordnungen zur Umsetzung in der Praxis zu vermitteln. Im Folgekapitel untersucht der Autor einen möglichen Transfer des symptomspezifischen Trainings auf das schulische Lernen. Im Anhang finden sich noch die Definitionen gängiger Begriffe der Statistik, welches das Verständnis vor allem für die ersten beiden Kapitel erleichtert.

Zusammenfassung

Im Kapitel der Entwicklung der einzelnen Fähigkeiten bemängelt Fischer, dass es bei binokularen Augenproblemen im Kindesalter noch an quantitativer Diagnostik und therapeutischer Hilfeleistung fehlen würde. Diese Sichtweise des Autors zeigt, dass Optometristen ihre Dienstleistungen besser als bisher kommunizieren müssen. So sind zumindest in Österreich einige Optometristen auf kindliche Teilstörungen und deren Verbesserung durch Visualtraining spezialisiert.

Sehr gut erhält der Leser des Buches „Hören, Sehen, Blicken, Zählen“ die Zusammenhänge der kindlichen Entwicklung der visuellen und auditiven Sinnesverarbeitungen erklärt. Untersuchungsmethodiken wie der Near Point of Convergence, der ACA Quotient oder der Cover Test werden vom Autor nicht behandelt. Der Autor konzentriert sich in seinen Ausführungen auf visuelle Leistungen im Zusammenhang mit Fixation und Sakkaden. Primär werden mögliche Zusammenhänge zwischen einer Legasthenie, Dyskalkulie und ADHS und einer unruhigen Fixation bzw. einem gestörten Sakkadensehen mit Hilfe von Statistiken untersucht.

Das 256 Seiten starke Buch ist 2007 im Hans Huber Verlag erschienen, kostete zum Zeitpunkt dieser Rezension 25,65 Euro und kann hier online bestellt werden.

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