Auf den ersten Blick mag das im DOZ Verlag erschienene Buch „Organisationspsychologie in der Augenoptik“ nur eine Komplettierung der angebotenen Fachbücher darstellen. Hat man das Buch in Händen, so offenbart es sich als wahre Perle zur persönlichen Entwicklung als Führungskraft in der Augenoptik. Selbstverständlich kann das Buch kein Seminar, keine Supervision oder Coaching ersetzen. Das tolle an diesem Buch ist der Link von Psychologie, Kommunikation und Teilbereichen der NLP zur Augenoptik.
Autor Thomas Welker ist deutscher Diplom-Psychologe und Dozent an der Münchner Fachakademie für Augenoptik. Mit verschiedenen Fachartikeln und mit seinem hier besprochenem Werk hilft er Augenoptikern die psychologischen Komponenten im Berufsalltag besser zu verstehen, sie für sich zu nutzen und sich dadurch weiterzuentwickeln.
Psychologie und Augenoptik
Während „Menschenkenntnis“ in Lebenserfahrung und den daraus resultierenden Erklärungsmustern begründet ist, so ist es die Absicht der wissenschaftlichen Psychologie Erscheinungen von Verhalten und Erleben nach wissenschaftlichen Methoden zu analysieren und schließlich Möglichkeiten zur Verhaltenskontrolle und Verhaltensänderungen anzubieten. Die aus „Menschenkenntnis“ entsprungenen Ratschläge sind meist auf einer subjektive Wahrnehmung des Ratgebers begründet und führen nur selten zu Veränderungen des „Beratenen“. In der wissenschaftlichen Psychologie wird dagegen zuerst die vorliegende Situation beschrieben, dann analysiert und erklärt und letztendlich mögliche Veränderungen zur Verbesserung oder Lösung erörtert.
Neben solchen Grundlagen, Leistungen und Definitionen der Psychologie erfährt der Leser im einführenden Kapitel des Buches auch die theoretischen Zusammenhänge zwischen Erwartungen, Verhalten, Reaktionen und dem Umgang mit Reaktionen im Verkaufsgespräch.
Verhalten und deren Steuerung
Man kann sich nicht nicht verhalten. So viel ist sicher. Verhalten ist eine sichtbare und deswegen auch beobachtbare Aktivität von Muskeln und Drüsen. So kann man zum Beispiel das Weinen als ein Verhalten bei einem Menschen wahrnehmen. Der Beweggrund für das Weinen kann jedoch in einer Traurigkeit als auch in Freude liegen. Im Kapitel zum Verhalten und deren Steuerung werden die grundlegenden Steuerungsmaßnahmen des Verhaltens beschrieben. Das Verhältnis von Reiz und Reaktion, die Konditionierung und die Regeln und Verstärkerprinzipien des Abbaus und des Aufbaus eines Verhaltens. Der Autor erklärt in diesem Zusammenhang verschiedene beobachtbare Verhaltensweisen und mögliche innere, körperliche, geistige oder psychische Vorgänge, welche die Grundlage für das Verhalten haben.
Ziel der Verhaltenspsychologie ist es eine Vorhersage zu treffen, wie ein Mensch unter jeweils gegebenen Bedingungen reagiert. Dazu führt der Autor verschiedene Modelle mit Hilfe von alltäglichen Beobachtungssituationen an. Ein Teilaspekt der Verhaltenspsychologie stellt die Konditionierung dar. So lauten die Regeln für eine erfolgreiche Konditionierung: Sofort reagieren, oft und häufig trainieren, möglichst wenig bestrafen und verbieten, sich klar und eindeutig verhalten – und das Schaffen einer angenehmen, entspannten Atmosphäre. Zur Veranschaulichung der Regeln bietet der Autor dem Leser Beispiele aus dem Alltag der Lehrlingsausbildung an.
Emotion – vom Erleben und Fühlen
Täglich erleben wir am eigenen Leib Gefühle, Emotionen oder gar Affekte. Wir haben Angst, sind traurig, lieben jemanden, oder sind stolz auf eine Leistung. Mit dem Begriff Emotion wird vornehmlich an sechs primäre Emotionen gedacht: Trauer, Ärger, Furcht, Abscheu, Erstaunen und Freude. Erkenntnissen Neurobiologen zur Folge wird angenommen, dass etwa 60% allen menschlichen Verhaltens der Steuerung von Gefühlen und Emotionen unterliegen. Hinsichtlich der sogenannten emotionalen Intelligenz – also dem Umgang mit Emotionen – zeigt der Autor fünf dazugehörige Dimensionen.
Die Emotionspsychologie unterscheidet drei Bereiche in denen emotionale Prozesse eine Auswirkung zeigen können. So kann eine Veränderung im sprachlichen Verhalten, als auch im nonverbalen Verhalten, wie auch im physiologischen Geschehen des Körpers durch emotionale Prozesse ausgelöst worden sein. Der Autor erörtert die Bedeutung der unterschiedlichen Reaktionen.
Praxisnah wird veranschaulicht, wie man selbst im Kontaktlinsen-Anpassraum die Erkenntnisse über die emotionalen Verhaltensweisen nutzen und damit ängstlichere Klienten bei den ersten Aufsetzübungen unterstützen kann.
Bedürfnis und Motiv
Jeder Mensch kennt Bedürfnisse. Genau betrachtet stellen sie Mängel dar, die zum Erreichen eines physischen und psychischen Wohlbefindens notwendig sind. In diesem Kapitel ist auch die Bedürfnispyramide nach Maslow integriert. Der Autor zeigt anhand von Beispielen, dass das pyramidale Motivationsmodell auch in einer augenoptischen Beratung, sowie in einer mitarbeiterorientierten Anleitung anwendbar ist.
Als Motiv bezeichnet man den einer bestimmten Handlung zuordenbaren Beweggrund. Zur besseren Erklärung eines motivierten Verhaltens, demonstriert der Autor das Zyklusmodell der Motivation. Anhand des VIE-Motivationsmodells werden dem Leser die theoretischen Strukturen der Mitarbeitermotivation erläutert. In Folge kann man durch das Einsetzen der individuellen Firmenparameter in das im Buch erklärte VIE-Erwartungsmodell für jeden Mitarbeiter ein eigenes Motivationsmodell ausarbeiten. Dadurch wird die Beurteilung des Leistungsverhaltens der Mitarbeiter vom Geschäftsinhaber objektiv beurteilt und fördert somit ein gutes betriebliches Klima.
Leistung und Zufriedenheit
Leistung kann als Funktion, dem Produkt aus Motiv bzw. Emotion und den Fähigkeiten bzw. Fertigkeiten unter der jeweiligen Situation in der sie erbracht wurde beschrieben werden. Die Leistung eines Mitarbeiters ist jedoch selbst bei hoher Motivation nicht beliebig steigerbar. Es gibt ein Verhältnis zwischen Motivation und Leistung. Im Weiteren erhält der Leser die Grundsätze zur praktischen Umsetzung von Leistungssteigerungen.
Jeder Mitarbeiter hat zudem sein persönliches Erleben von Arbeitszufriedenheit. Will man nun die Arbeitszufriedenheit eines Mitarbeiters messen, so benötigt man ein operational definiertes Konzept. Der Autor beschreibt diesbezüglich das Konzept von Bruggemann und untermauert es mit Beispielen aus der täglichen Arbeitspraxis. Desweiteren findet der Leser strukturiert und mit Beispielen versehene organisatorische Maßnahmen zur Zufriedenheit im eigenen Betrieb.
Führungsverhalten und Führungsstil
Führungsaufgaben und Führungsfunktionen lassen sich in den unterschiedlichsten Bereichen in verschiedenen Organisationsformen zuordnen. Der Autor differenziert strukturiert zwischen Aufgaben und Aspekten des Führens. Dabei muss die Führungsfähigkeit nachweislich vorhanden sein. Allerdings können Führungsfertigkeiten und Führungsverhalten gelehrt und gelernt werden. Erklärt werden Aspekte des Führens, menschliche Verhaltensdimensionen, unterschiedliche Führungsstile und Methodiken des Führens von Mitarbeitern.
Der Leser erhält einen Vergleich der wichtigsten Führungsalternativen, die eine Führungskraft hat, um ein ausgewogenes Verhältnis zwischen der Produktion und der Akzeptanz der Mitarbeiter zu erreichen.
Konflikte, Ursachen und ihre Reduktion
Die Art des betrieblichen Konfliktmanagements ist eine bedeutende Frage des Führungsstils. Der Art des Konfliktmanagements misst der Autor eine sehr hohe Bedeutung beim erfolgreichen Führen eines Betriebes zu. Jedoch müssen Konflikte nicht zwingend destruktiv sein. Ganz im Gegenteil haben sie auch eine für die Entwicklung des Betriebes förderliche Komponente.
Neben unterschiedlichen Konfliktbereichen erfährt der Leser zwischen mehreren Konfliktstilen zu differenzieren. Beim Lesen des strukturellen Verlaufs einer Konflikteskalation wird man unwillkürlich an den Film Rosenkrieg mit Michael Douglas und Kathleen Turner erinnert. Können Sie sich erinnern? In der letzten Filmsequenz geht es nur mehr um die Vernichtung des anderen – auch zum Preis der Selbstvernichtung.
Nun so weit lassen wir es niemals kommen. Schon gar nicht nach dem Studium der vorliegenden Lektüre. Also, wie kann man nun erfolgreich einen Konflikt reduzieren? Oder könnte vielleicht gar ein innerbetrieblicher Konflikt gewinnbringend genutzt werden? Antworten darauf findet man im letzten Teil des Kapitels zum Thema Konflikte im vorliegenden Buch.
Führungsmethoden, das psychologische Handwerkszeug
Die Leitung eines Betriebes erfordert das Erkennen jener Kräfte die ein betriebliches Arbeitsklima beeinflussen und die Fähigkeit darin enthaltene Widersprüche und Konflikte abzuarbeiten. Der Leser erhält in diesem Kapitel weitere Informationen zur Konflikttheorie und einen Leitfaden wie man sich vor einem, während und nach einem aktiven Konfliktgespräch optimal verhält.
Einem weiteren Schwerpunkt des Kapitels ist dem prinzipiellen Mitarbeitergespräch gewidmet. Der Leser erhält einen Einblick in das Grundgerüst und in die praktische Durchführung eines konstruktiven Mitarbeitergesprächs. Ausgezeichnet erklärt der Autor die Regeln des Kritisierens, denn nichts ist schlimmer für einen Kritiker, als den Kritisierten in das offene Messer laufen zu lassen.
Von akuten zum chronischen Stress
Eine Umfrage ergab, dass 90% der Arbeitnehmer sich einmal pro Woche und 25% sich täglich gestresst fühlen. Stressmanagement ist demnach ebenfalls ein wesentlicher Faktor der Organisationspsychologie in einem Unternehmen. Hier ist zunächst einmal die Definition von Stress zu klären. Der Autor differenziert zudem in akuten und chronischen Stress und erklärt dem Leser die jeweiligen Symptome. Im Weiteren werden unterschiedliche Copingstrategien – also Stressbewältigungsstrategien – mit Aktionen und Handlungen, mit denen der Mensch sich den Stresssituationen in veränderter Weise anpassen kann beschrieben. Auch gibt es typische stresssteigernde und stressreduzierende Lebens- und Handlungsregeln, die einem der Autor vor Augen führt. Als einen weiteren Beitrag zur Stressminderung findet der Leser ein Modell zur Problemlösung gegen Ende des Stress-Kapitels.
Mobbingprozesse
Mobbing führt unweigerlich zu einer Reihe innerbetrieblicher Konflikte. Dabei haben die beiden Konfliktpartner naturgemäß unterschiedliche Blickwinkel auf die vorgefallenen Handlungen. Echte Mobbingprozesse können jedoch sogar Existenz gefährdend sein. Für das Unternehmen hat Mobbing vor allem aus finanzieller Sicht negative Auswirkungen. Nach einer Einführung und genauen Definition von Mobbing, geht der Autor den möglichen Ursachen und den einzelnen Phasen von Mobbing auf den Grund.
Personale Beurteilungen
Personale Beurteilungen bilden in der Regel die Grundlage für die Personalentwicklung und zahlreiche Personalentscheidungen. Nicht selten werden die Beurteilungen aber subjektiven Empfindungen untergeordnet. Objektive Beurteilungen sollten reproduzierbar sein. Der Leser erhält im letzten Kapitel dieses Buches Informationen über Fallstricke bei der Mitarbeiterbeurteilung und einen ausführlichen Leitfaden über ein gut strukturiertes Beurteilungsgespräch mit einem Mitarbeiter.
Fazit
Das im DOZ Verlag erschienene Fachbuch „Organisationspsychologie in der Augenoptik“ ist vor allem für jene Augenoptiker interessant, welche Führungskompetenzen erlangen oder ausbauen wollen. Praktisch betrachtet bietet dieses Buch eine Fülle an Anregungen. Man kommt beim Lesen der Lektüre nicht umhin seinen eigenen Führungsstil zu hinterfragen, Schwächen aufgedeckt zu bekommen und Lust an Verbesserungen des eigenen Verhaltens zu erfahren.
Am Ende jedes Kapitels befinden sich Kontrollfragen, mit deren Hilfe man das Verstehen des Gelesenen selbst evaluieren kann. Noch hilfreicher sind die Übungsbeispiele am Ende jedes Kapitels, welche teils das eigene Verhalten als Führungskraft hinterfragen und andererseits die Sinne für eine gute Führung schärfen. Thomas Welker ist mit seinem Lernbuch ein großes Werk gelungen, da es über große Bereiche des Buches ganz spezifische, plakative Beispiele zur Organisationspsychologie im Beruf des Augenoptikers gibt.
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