Brillenglashersteller müssen den Endverbraucher auf gefährliche Eigenschaften eines Produktes hinweisen. Dazu zählt auch, dass Kunststoffgläser eben nicht absolut bruchsicher sind. Der OGH hat jüngst einen Fall entschieden, bei dem ein Schneeball das Kunststoffglas einer Brille zerstört hat.Diesem Urteil (OGH 6Ob73/04k) lag folgender Sachverhalt zugrunde: Bei Plusgraden und Neuschnee fand eine Schneeballschlacht statt. Ein fehlgeleiteter Schneeball traf die Brille eines Kindes und das Kunststoffglas zerbrach „in tausend Splitter“. Die Mutter gab an, dass ihr sowohl der Augenarzt, als auch der Optiker zu Kunststoffgläsern geraten hatten. Ausschlaggebend für ihre Entscheidung waren die gute Eignung für Kinder und die Bruchfestigkeit. Die Splitter mussten im Spital herausoperiert werden und das Kind trug Vernarbungen an der Hornhaut davon. Die Fassung war unbeschädigt geblieben, sodass der Optiker das kaputte Glas ersetzen konnte. Die Mutter wollte jedoch auch für künftige Schäden aufgrund der bleibenden Verletzung vorsorgen und klagte den Brillenglashersteller wegen Fehlerhaftigkeit des Glases.
Das PHG (Produkthaftungsgesetz) regelt, dass der Hersteller für Schäden, die sein fehlerhaftes Produkt verursacht, dem Verbraucher gegenüber haftet. Der OGH argumentierte, dass, ein Instruktionsfehler des Glasherstellers vorliegen würde, weil dieser den Kunden nicht darauf hingewiesen hätte, dass auch Kunststoffgläser brechen können. Der Durchschnittsbenutzer würde aufgrund der Werbung für Kunststoffprodukte im Allgemeinen und seinen persönlichen Erfahrungen Kunststoffgläser für derart robust einschätzen, dass sie Schlägen oder Stößen mit der Wucht eines Schneeballes standhalten. Durch die fehlende Instruktion sei das Produkt somit fehlerhaft und begründe die Haftung des Glasherstellers.
Natürlich hat der Glashersteller während des Prozesses argumentiert, dass Abnehmer der Gläser und Vertragspartner ausschließlich fachkundige Optiker sind. Diese wissen selbstverständlich, dass Kunststoffgläser zwar wesentlich schwieriger als mineralische Gläser zerbrechen, aber dass es eben keine 100%ige Bruchsicherheit von Gläsern gibt. Der OGH hat festgehalten, dass es bei der Produkthaftung nicht darauf ankommt ob der Optiker sozusagen „zwischengeschaltet“ ist. Es ist auch nicht relevant, dass der Optiker aus zwei Teilprodukten (Fassung und Gläser) ein Gesamtprodukt herstellt und dieses dem Endverbraucher verkauft. Aus diesem Grund trifft den Optiker in diesem Fall keine Haftung.
Nichtsdestoweniger macht dieses Urteil nachdenklich, auch wenn die Haftung hier nur den Glashersteller trifft. Es stellt sich die Frage, wie sich der Glashersteller direkt an den Endverbraucher wenden soll. Muss jetzt jeder Brille ein „Beipackzettel“ mit allen möglichen und unmöglichen Risiken beigelegt werden? Wo beginnt die Haftung für den Optiker, wenn er diese Information nicht oder nur teilweise an den Kunden weitergibt? Wie kann sich der Optiker möglichen Risiken gegenüber absichern?
Grundsätzlich ist zu sagen, dass dieses Urteil einmal mehr bestätigt, wie wichtig eine umfassende und fachkundige Aufklärung dem Kunden gegenüber ist. Die Tatsache, dass dem Optiker viele Dinge selbstverständlich sind, heißt noch lange nicht, dass auch der Kunde Bescheid weiß. Die Aufklärung darüber, dass Kunststoff bei extremen Temperaturschwankungen anfälliger wird oder der Hinweis, dass es bei massiven Stürzen auch zum Bruch des Glases kommen kann ist sicher sinnvoll. Die Grenze zur Sinnlosigkeit ist allerdings fließend, da niemand ernsthaft einen Katalog über sämtliche (un-)möglichen Risken erwarten kann. Der Hinweis, dass darauf zu achten ist nicht mit dem Auto über die heruntergefallene Brille zu rollen, da die Kunststoffgläser sonst brechen könnten ist sicher entbehrlich!

Dieser Kommentar
wurde freundlicherweise von
Frau Mag. iur. Barbara Belyus
zur Verfügung gestellt.
Mag. Barbara Belyus
Geblergasse 93/2.Stock
1170 Wien
Tel.: +43 1 906 807 70
Fax: +43 1 906 807 71
E-Mail: belyus@r-l.at
Internet: www.r-l.at




